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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Schwung der Draisine umgerissen und krachten in eine Dornenhecke.
    »Holla, das war knapp!« murmelte Carolines Vater neben ihm und lachte laut auf. »Danke.«
    Tobias schüttelte den Kopf, konnte sich ein Grinsen aber nicht verkneifen. »Ganz schön schnell.«
    »Allerdings! Das muss ich unbedingt noch einmal wiederholen.«
    Inzwischen hatten sie die ersten Gäste erreicht, die ihnen sogleich aus dem Gestrüpp halfen. Lewald sammelte seinen Spazierstock mit dem bronzenen Engelssgriff auf, und während er sich die Hose ausklopfte, versicherte er allen, dass es ihm gut gehe. Weniger Erfolg hatte er allerdings bei seiner Tochter, die mit gerafften Röcken herabstürzte. Zur Erheiterung aller Umstehenden schimpfte sie laut los und warf ihm vor, eine seiner Erfindungen werde ihn eines Tages noch umbringen.
    Caroline verstummte erst, als Lewald ihr versprach, die Draisine fortzuschaffen – und erlitt unmittelbar darauf wieder einen Hustenanfall. Besorgt wollte ihr Tobias zur Seite springen, als Doktor de Lagarde bereits zur Stelle war. Er bedachte den jungen Mann mit einem vernichtenden Blick und flößte seiner Patientin einen Saft ein, den er aus einem ledernen Handkoffer hervorzauberte. Caroline beruhigte sich wieder, und gemeinsam mit einigen Damen der Gesellschaft führte der Arzt sie zurück zur Villa.
    Lewald wollte sie begleiten, doch als ihn seine Tochter mit eisigem Blick auf die umgekippte Draisine aufmerksam machte, blieb er wie ein begossener Pudel zurück.
    »Nun«, erklärte der Alte verlegen, »ich denke, dann werde ich dieses vermaledeite Ding mal in den Schuppen bringen. Möchten Sie mitkommen? Er befindet sich oben, neben dem Haus.«
    Tobias, der Caroline noch immer besorgt mit seinen Blicken folgte, nickte zögernd und half Lewald dabei, das Laufrad aus dem Gestrüpp zu zerren. Sicher war es besser, erst einmal zu verschwinden, bevor das Partygeschwätz von seiner Heldentat Kettenburg erreichte.
    Carolines Vater führte ihn durch den Garten zu einer alten Scheune, die abseits der Villa inmitten einer Gruppe hoher Bäume stand. Dieses Riesending bezeichnete Carolines Vater als Schuppen?
    Lewald lehnte die Draisine gegen die Holzwand neben dem doppelflügeligen Scheunentor und zückte einen Schlüssel, um das wuchtige Schloss aufzusperren.
    »Sagen Sie, Herr Lewald, was ist mit Caroline? Ich bemerke diese Hustenattacken nicht zum ersten Mal.«
    Sein Begleiter hielt mitten in der Bewegung inne und schien die Maserung des Holzes zu studieren. Erst nach einer Weile wandte er sich ihm zu. »Sie leidet unter der gleichen Erkrankung wie ihre selige Mutter. Sie hat Schwindsucht.«
    Wie vom Donner gerührt starrte Tobias den Alten an. Schwindsucht war ein altertümlicher Ausdruck für Tuberkulose. Auch zu seiner Zeit starben jedes Jahr weltweit über zwei Millionen Menschen an dieser heimtückischen Infektionskrankheit. Auslöser waren die so genannten Tuberkelbakterien. Offenbar hatte sich Caroline bei ihrer Mutter infiziert. Als angehender Arzt wusste er, dass sich die Erreger über Jahre hinweg unbemerkt im Körper ausbreiten konnten und dann Lunge, Nieren, Knochen und andere Organe befielen. Caroline bedurfte dringend ärztlicher Behandlung. Zu seiner Zeit hatte man dazu eine spezielle Therapie entwickelt, die aus einer Kombination mehrerer Medikamente bestand, um das Wachstum der Bakterien zu hemmen. So genannte Tuberkulostatika. Doch diese Medikamente gab es jetzt – heute – noch nicht. Zu dieser Zeit wusste man noch nicht einmal, was die Krankheit überhaupt auslöste. Erst der deutsche Arzt Robert Koch war dem Erreger später auf die Spur gekommen. Diesem und vielen anderen: Malaria, Milzbrand, Cholera, Schlafkrankheit, Pest …
    Doch Koch würde erst im folgenden Jahr geboren werden.
    »Machen wir uns keine unnötigen Sorgen«, murmelte Lewald und schürzte die Lippen. »Caroline ist zäher als ihre Mutter. Viel zäher. Und sie wird vom besten Arzt behandelt, den ich kenne. Doktor de Lagarde ist ein Mann mit vielen Talenten. Außerdem hat sie mich. Ich werde nicht zulassen, dass ihr etwas passiert. Ihr nicht!«
    Lewald funkelte ihn mit einer derartigen Entschlossenheit an, dass Tobias unwillkürlich einen Schritt zurücktrat. Von einem Augenblick zum anderen glätteten sich die Züge des älteren Mannes, und er öffnete die Scheunentür.
    »Kommen Sie. Ich gestatte nur wenigen, mein privates Wunderreich zu betreten. Soweit ich weiß, hatte ich Ihnen gegenüber mein physikalisches Kabinett auch schon

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