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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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schmerzt die Narbe leider noch immer. Ich hab mir die Verletzung bei dem Pistolenduell mit Salomon Strauß zugezogen, diesem Heuchler.«
    »Wie bitte?« fragte Tobias entgeistert. »Sie haben sich duelliert?«
    »Ich dachte, Sie lesen Zeitung!« spottete der Dichter. »Die leidige Angelegenheit war doch in ganz Deutschland Tagesgespräch. Hätten Sie denn nicht nach Satisfaktion verlangt, wenn jemand das Gerücht in die Welt setzt, Sie auf offener Straße geohrfeigt zu haben?«
    Tobias kam um eine Antwort herum, weil sich die Eingangstür soeben öffnete. Vor ihnen stand ein gebrechlicher livrierter Mann, der Heine erfreut anlächelte. »Ah, Herr Doktor. Ihr Onkel wartet bereits auf Sie.«
    Herr Doktor? Allmählich schämte sich Tobias für seine Unwissenheit.
    »Welches Wetter haben wir denn?« fragte Heine spitzbübisch.
    Der Livrierte verzog das Gesicht. »Stürmisches Wetter, Herr Doktor. Stürmisches Wetter.«
    Tobias blickte zweifelnd zum blauen Frühlingshimmel hinauf. Der konnte jedenfalls nicht damit gemeint sein.
    »Ich habe einen Gast mitgebracht«, fuhr Heine fort. »Zu niemandem ein Wort über diesen Besuch.«
    »Selbstverständlich, Herr Doktor«, erwiderte der alte Hausdiener fast ein wenig beleidigt. »Möchten die Herrschaften ablegen?«
    Sie lehnten freundlich ab. Und so führte sie der Alte durch eine geräumige Eingangshalle hinauf in den ersten Stock zu einem Speisezimmer, das auf der elbwärts gewandten Seite des Hauses lag. Auf dem Weg durch die hohen Räume der Villa sah sich Tobias neugierig um. Die Einrichtung war von solch zurückhaltender Eleganz, dass sie eigentlich nicht weiter auffiel. Dabei erkannte er sehr wohl, dass die Stühle und Kommoden größtenteils aus Mahagoni bestanden, dass das Dürer-Gemälde an der Wand neben der Treppe keine Kopie sein konnte und auch der neunarmige Chanukka-Leuchter in der Galerie im ersten Stock aus massivem Silber gefertigt war. Alles wirkte bequem und wohnlich.
    »Hier geht es oft sehr geziert und geschwänzelt zu«, erklärte Heine missbilligend. »Der reine, unbefangene Geist sündigt oft gegen die Etikette. Diplomatisches Federvieh, Millionäre, hochweise Senatoren, kurz, nichts für mich.«
    Tobias sah seinen Begleiter zweifelnd von der Seite an. Er glaubte dem Dichter kein Wort.
    Endlich erreichten sie ihr Ziel, und der alte Diener ließ sie allein. Der Speiseraum bot außer einem reich mit Silbergeschirr besetzten Büffet, auf dem eine Flasche Portwein und vier Gläser standen, nichts Bemerkenswertes.
    Eine zugezogene Schiebetür trennte die Besucher von einem Nachbarraum, aus dem gedämpfte Stimmen zu vernehmen waren.
    »Fünfzehntausend Mark? Diese Bürgschaft war a Dummheit, hab ich gesagt. Wieder und wieder gesagt. Hab ich? Ja, hab ich!«
    »Ich bitte Sie, Herr Heine. Ich … ohne diesen Kredit bin ich ruiniert. Das können Sie mir nicht antun. Ich werde die Summe zurückzahlen, sobald die Geschäfte wieder etwas besser laufen.«
    »Sie unglücklicher Schlemihl. Hatten nur gehabt Spott für meine Warnungen. Mussten diesem Italiener ja unbedingt auf den Leim gehen. Und, wer hat jetzt den Reibach gemacht? Gehen’s doch zu Donner. Vielleicht leiht der Ihnen das Geld.«
    »Bei ihm war ich schon.«
    »Ah, und jetzt dachten’s. mit etwas Chuzpe leiht’s Ihnen der dumme Jud!«
    »Nein, natürlich nicht. Aber Sie hatten mich doch zuvor gewarnt, deswegen nun …«
    »Nein. Mein letztes Wort. Und nun verschwinden’s. Hinaus!«
    Nebenan öffnete sich eine Tür. Tobias sah durch den Türspalt einen dunkelhaarigen Mann mit gesenktem Haupt die Treppe hinuntereilen.
    Gleich darauf öffnete sich die Schiebetür, und ein dicker kleiner Mann mit schlohweißem Haar und hochrotem Kopf betrat schimpfend und über einen Gehstock gebeugt den Speiseraum. Sicher war er weit über siebzig Jahre alt. Über seinem Bauch spannte sich eine helle Weste, in deren Knopfloch eine Blume steckte. Gerade wollte er nach der Flasche mit dem Portwein greifen, als er bemerkte, dass er nicht allein im Raum war. Überrascht blickte er zu seinem Neffen auf, der nicht weit von ihm entfernt gegen eines der Fenster lehnte. Tobias, der noch immer im Eingang des Zimmers wartete, bemerkte der Alte nicht.
    »Ach, sieh an, Harry, die alte Kanaille. Bist du also wieder zurück. Ich hoff, du hast bessere Nachrichten. Ohne dass man das will, wird man nur verdruslich gemacht.«
    »War das Gottfried Hansen?« fragte der Dichter, ohne auf die Beleidigung seines Onkels einzugehen.
    »Ja.

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