Der Gärtner von Otschakow
behütet Gott, und die Übrigen die Miliz«, seufzte Wanja. »Gehen wir zu mir?«
»Wohin denn sonst?«, brummte Igor.
»Ich hab Ihnen da Bilder aufgenommen, ich kann bloß nicht selbst entwickeln… Man muss in den Fotosalon gehen…«
»Gut, dann gehst du hin!« Igor ging neben Wanja her, schon wieder beruhigt und gleichmäßig atmend.
»Nein«, sagte Wanja leise. »Der Fotograf ist ein Jude, nachher erzählt er Fima, dass ich ihn und seine Freunde heimlich aufgenommen habe…«
»Warum soll er das erzählen? Sind sie Bekannte?«
»Nein, weil er ein Jude ist.«
»Was heißt das, traust du Juden nicht?!«, fragte Igor erstaunt.
»Niemand traut ihnen! Hier, unseren Cheftechniker [140] Jefim Naftulowitsch haben sie als Schädling verhaftet und eingesperrt!«
»Du redest Unsinn.« Igor schüttelte im Gehen empört den Kopf. »Vielleicht magst du dann auch keine Schwarzen, weil sie schwarz sind?«
»Wieso soll ich sie nicht mögen?«, antwortete Wanja. »Bei uns in Otschakow gibt es keine Schwarzen, also gibt es keinen Grund, sie nicht zu mögen!«
»Eherne Logik.« Igor lächelte. »Hast du denn viele Leute fotografiert?«
»Etwa sieben… und Walja noch zusätzlich.«
Das Gespräch versiegte. Zehn Minuten gingen sie schweigend, bis Wanja sein Gartentörchen öffnete, und danach die Haustür.
Als er auf dem antiken Sofa mit der hohen Rückenlehne saß, streifte Igor die Stiefel ab. Wanja kam mit einem Glas Wein ins Zimmer, und Igor trank das Glas in zwei Schlucken aus und nickte zum Dank.
»Ist es wahr, dass die Milizionäre neue Uniformen erhalten?«, fragte Wanja plötzlich flüsternd.
Igor wurde wachsam. »Woher weißt du das?«
»Sie haben es im Radio gesagt.«
»Wenn sie es gesagt haben, dann ist es so«, antwortete Igor ein wenig angespannt. »Wenn ich bis neun nicht wach bin, weckst du mich! Wann öffnet der Fotosalon?«
»Bei uns öffnet, außer dem Markt, alles um acht, und der Markt um sechs«, sagte Wanja. »Nur, lassen Sie den Film lieber in einer anderen Stadt entwickeln. In Kiew. Sonst erzählt der Alte trotzdem Fima und den anderen, dass die Miliz sie fotografiert. Hier, nehmen Sie!« Wanja hielt Igor den Film [141] hin, legte ihn in seine ausgestreckte Hand und verschwand. Igor drehte das kleine schwarze Röhrchen, in dessen Inneren sich der nicht entwickelte Film vor dem Licht versteckte, drehte es eine Weile und steckte es in die Tasche der Uniformhose.
Ein klingender Morgen weckte Igor gegen sechs. Von draußen hörte man die eiligen Schritte der Passanten, und auch im Haus schlugen Türen und knarrten hölzerne Dielenbretter. Als Igor die Stiefel angezogen hatte und ein wenig auf der Stelle trat, damit es den Füßen bequemer wurde, sah Wanja, schon in Kleidern, ins Zimmer herein.
»Was sind Sie denn so früh?«, fragte er erstaunt. »Ich dachte, ich gehe zum Markt, dann komme ich zurück, und danach gehen wir…«
»Wieso musst du auf den Markt?«, erkundigte sich Igor, während er das Hemd in seinen Gürtel stopfte.
»Ich trage meiner Mutter den Wein, für sie ist es schwer, allein!«
»Na, dann gehe ich mit euch!«, sagte Igor und erkannte im selben Moment an Wanjas Miene, dass dem Burschen die Idee nicht gefiel.
»Wenn Sie zum Markt wollen, dann können Sie hinter uns gehen. Sonst gucken die Leute komisch… Meine Mutter, ich mit dem Wein, und ein Milizionär… Die wissen doch…«
»Sie wissen, woher der Wein kommt?« Igor lächelte ironisch.
»Nicht alle, natürlich… Die Stadt ist klein. Ich weiß, woher Bartenjuk seine Ochsenzungen hat, die er auf dem Markt verkauft, und er weiß, woher mein Wein kommt…«
»Na gut, ist schon gut«, beruhigte Igor Wanja. »Ich gehe [142] hinter euch, spaziere dort ein Stündchen herum und wieder zurück.«
»Sie spazieren herum?« Wanja lächelte. »Wohl zu der roten Walja, was?«
»Na, zu ihr auch«, bestätigte Igor. »Vielleicht kaufe ich Fisch… Ihr Fisch ist nicht gestohlen wie dein Wein oder diese Ochsenzungen, der ist doch ehrlich im Meer gefangen?«
»Ja.« Wanja nickte versonnen. »Gut, nur gehen Sie erst eine Weile, nachdem ich die Tür zugeschlagen habe, aus dem Haus… Und schlagen auch Sie die Tür zu, damit sie zubleibt!«
Wanja verschwand. Im Flur hörte man Geräusche geschäftiger Eile, eine Frauenstimme, die Wanja antrieb, das monoton-muntere Murmeln des Radios.
Igor hörte die Tür zuschlagen, während er am Fenster stand und auf die Straße jenseits des Zauns hinaussah. Dort, durch das Fenster, sah er
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