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Der Gärtner von Otschakow

Der Gärtner von Otschakow

Titel: Der Gärtner von Otschakow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Strümpfe, so ist es bequemer, auf einer Birne.«
    Ihre Unterhaltung, und auch die letzte abendliche Munterkeit, wurde wieder mit zwei Gläsern trockenem Weißen beendet. Igor zog sich aus, faltete die Uniform auf dem Hocker zusammen, lehnte das Netz mit den in Zeitung gewickelten Flundern an ein Hockerbein und legte sich aufs Sofa.
    16
    Der Schlaf verließ Igor gegen Mittag, verscheucht von dem frohen Singsang seiner Mutter, der durch die offene Tür aus der Küche herüberdrang, und dem appetitlichen Duft von gebratenem Fisch.
    In Trainingshose und barfuß kam Igor in die Küche.
    »Danke, Kind!« Elena Andrejewna hob den Blick von der zischenden Pfanne.
    »Ich habe es ja versprochen«, sagte Igor und nickte. »Ich hoffe, diesmal hast du zum Essen nicht die Nachbarin eingeladen?«
    Die Mutter schüttelte den Kopf. »Stepan kommt«, fügte sie hinzu. »Er hat sich einen Anzug gekauft!«
    »Einen Anzug?!« Igors Gedanken stockten angesichts dieser Neuigkeit. »Einen Anzug zum Mittagessen?« Sein Mund verzog sich zu einem listigen Lächeln.
    Die Mutter schien stellvertretend für Stepan gekränkt zu sein. »Dir habe ich den ersten Anzug übrigens zu deinem Schulabschluss gekauft! Und es gibt Leute, die haben im Leben nie einen Anzug getragen!«
    [176] Igor zuckte mit den nackten Schultern. »Ich habe nichts gegen Anzüge«, sagte er ruhig. »Willst du, dass auch ich im Anzug Flundern esse?«
    »Ach, geh weg mit deinen Späßen!« Gutmütig winkte die Mutter ab und machte sich daran, in der Pfanne den Fisch zu wenden.
    Eine halbe Stunde später zergingen ihnen die Flundern auf der Zunge. Gekochte Dillkartoffeln und saure Gurken leisteten dem gebratenen Fisch köstliche Gesellschaft. Stepan war zum Essen in seiner gewöhnlichen Kleidung, nicht im Anzug gekommen. Dafür bemerkte Igor nebenbei, wie sorgfältig sich der Gärtner vorm gemeinsamen Festmahl die alten Wangen rasiert hatte. Das hieß, dachte Igor, die Einladung an den Tisch der Hausherrin bedeutete ihm wohl etwas! Erziehung hatte damit eindeutig nichts zu tun – wer hätte ihm denn eine anständige Erziehung geben können? Die Freunde seines rätselhaften Vaters, oder die Verwandten aus Odessa?
    »Gibt es Neuigkeiten von Ihrer Tochter?«, fragte Igor beiläufig, während er sich noch mehr Kartoffeln nahm.
    Stepan zog die Augenbrauen hoch und wandte sich ihm zu. »Wenn es so weit ist, dann gibt es Neuigkeiten«, sagte er kühl.
    Elena Andrejewna legte noch ein Stück Fisch auf Stepans Teller.
    »Es reicht, es reicht mir schon!«, wehrte er ab.
    »Sie ist nicht verheiratet?«, fragte die Gastgeberin vorsichtig.
    »Nein, es ist jetzt nicht leicht, einen guten Mann zu finden.«
    [177] »Genau wie eine gute Frau«, bestätigte Elena Andrejewna und warf Igor einen Blick zu.
    Auch Stepan musterte Igor nachdenklich. Unter diesen beiden starren Blicken, und angesichts der eben am Tisch erklungenen Bemerkungen, verschluckte Igor sich und musste heftig husten.
    Stepan sprang auf und schlug ihm kräftig auf den Rücken.
    Igor hob die Hände, um die seinetwegen entstandene Aufregung zu beschwichtigen.
    »Eine Gräte!«, erklärte er schnell und versuchte, das Husten zu unterdrücken.
    Als Elena Andrejewna anfing, die Teller vom Tisch abzuräumen, erhob sich Stepan, sah ein weiteres Mal Igor an und sagte: »Vielleicht findet sich unter deinen Bekannten ein würdiger Bräutigam für Aljona? Sie ist keine Braut ohne Mitgift mehr!«
    »Ich habe nicht so viele Bekannte«, antwortete Igor ernst. »Und Freunde überhaupt nur einen, Koljan.«
    »Ist das der, der in der Bank arbeitet?«
    Igor nickte.
    »Stellst du ihn mir mal vor?«
    Igor staunte über die Bitte. »Er kommt demnächst zum Picknick! Übrigens trinkt er gern!«
    Stepan dankte der Gastgeberin für das Essen und ging nach draußen.
    Einige Zeit darauf klingelte Igors Handy. Die Frau des Fotografen teilte mit, dass die Bilder bereit waren und er sie abholen konnte.
    Igor freute sich und machte sich schnell fertig, nahm auch die fünf von Wanja verknipsten Filme mit.
    [178] Über Kiew strahlte die Herbstsonne. Sie war gerade zur rechten Zeit erschienen, als versuchte sie seine gute Laune zu fördern und zu festigen. Die Erwartung eines Wunders beschleunigt den Schritt. Und Igor beeilte sich, doch leichtfüßig, ganz ohne Atemlosigkeit und ohne Anspannung. Obwohl er diesmal die Proresnaja vom Kreschtschatik aus bergauf lief.
    Am Ziel bog er in den Durchgangshof ein und trat vor die vertraute Tür. Er drückte auf den

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