Der Gärtner von Otschakow
scheint mir, du die Flasche beisteuern wolltest!«
»Fleisch?!«, wiederholte Igor, in dessen Stimme nicht so viel Schwung lag wie in der seines Kiewer Freundes.
»Wie, freust du dich nicht?!«
»Doch, doch! So eine Überraschung!« Igor gelang es, überzeugend fröhlicher zu klingen.
»Na, dann hol mal die Spieße raus, Gläser, Streichhölzer!«
Um sich vom zielgerichteten Nichtstun auf ein Picknick umzustimmen, brauchte Igor nicht mehr als fünf Minuten. Nachdem er sich noch einmal davon überzeugt hatte, dass kein Regen in Sicht war, suchte er geschäftig aus dem Küchenschrank zwei Hundertgrammgläser, die saubersten, heraus, und nahm aus dem Korb unter dem Tisch ein Paar Zwiebeln, für alle Fälle. Zwei Teller für den zivilisierten Verzehr ihres Schaschlikfleischs, zwei Gabeln – am Ende hatte er zwei Beutel gefüllt.
»Oh, du bist ein wahrer Hausmann!«, rief Koljan aus, als er seinen Freund mit der vollen Ausrüstung erblickte.
Für ihr Schaschlik-Picknick wählten sie einen kleinen Birkenhain, dreihundert Meter von den nächsten Häusern [188] entfernt. Weit zu gehen war das nicht, und Birkenholz gab es direkt vor Ort. Igor breitete ein quadratisches Wachstuch aus, stellte ihr Geschirr darauf und ging gleich ans Feuermachen.
Koljan, mit dem Recht des Hauptversorgers, spazierte einfach herum und sang etwas vor sich hin. Plötzlich stieß er einen leisen Ruf aus, ging in die Hocke und wandte sich zu Igor um.
»He, bring ein Messer und einen Beutel!«, befahl er.
Mit dem Messer schnitt Koljan zwei dicke Rotkappen ab, legte sie in den Beutel und stürzte sich von diesem Moment an in die Pilzjagd, ohne seinen Freund zu beachten, der über dem schon qualmenden Feuer ein kleines Kohlebecken zusammenbaute.
Auf die Zeit achtete keiner. Es war sinnlos, das Programm war klar und bestand aus Freizeit, Schaschliks und Wodka. Dabei schloss die Freizeit alles ein, auch die Schaschliks und den Wodka, und ihr Ende hing nicht von den Zeigern der Uhr, sondern der Ausdauer und den Lebenskräften der Teilnehmer ab. Das Birkenholz wurde zu Kohle, und Koljan, der seinen Beutel mit Pilzen gefüllt hatte, kehrte ans Feuer zurück und öffnete die Flasche ›Nemirow‹-Wodka. Der erste Trinkspruch drängte sich von selbst auf – »Auf die Pilzernte!« –, und ausgebracht wurde er natürlich von Koljan, dessen Laune sich durch diesen unverhofften Erfolg nur noch weiter gehoben hatte.
Er aß nicht einmal etwas zum Wodka, schnupperte beim ersten Gläschen nur an einem Stück Brot. Im nächsten Moment fiel sein Blick gierig auf den Plastikeimer mit dem marinierten Fleisch, den er mitgebracht hatte. Die Hände [189] streckten sich von selbst nach den Spießen aus, und Koljan begann, die Schweinefleischstücke gekonnt darauf aufzureihen.
»Weißt du, um in den Wald zu kommen, hocke ich eine Stunde in der Metro und in Kleinbussen, während du hier alles vor der Haustür hast! Ich muss mir hier irgendwo eine Datscha kaufen!«
»Aha, gibt es neue Aufträge?«, erkundigte sich Igor.
Koljan lächelte. »Die wird es geben! Ein guter Hacker bleibt nicht ohne Arbeit! Alle brauchen Informationen!«
Igor dachte nach, ob auch er etwa irgendwelche Informationen brauchte. Nein, stellte sich heraus, die brauchte er nicht.
»Ich nicht«, sagte er lächelnd.
»Wer bist du denn? Im Prinzip ein Mensch ohne Ambitionen. Nach sowjetischem Maßstab ein Nichtstuer und Parasit. Der ideale Seinszustand für dich ist: Privatier! Irgendwas verpachten und von diesem Geld leben… Nur muss man dazu was zum Verpachten haben. Und das hast du nicht! Um eine kleine Wohnung oder ein Büro zu kaufen, muss man schon mit Tempo fünf- bis zehntausend Grüne im Monat unterwegs sein. Oder noch schneller! Und genau dafür braucht man Informationen!«
»Wenn du, als Freund, eine Information für mich hast, die mir zehntausend Grüne einbringt, dann herzlichen Dank!«, parierte Igor, den der »Nichtstuer und Parasit« überhaupt nicht beleidigt hatte. »Ich bin von Natur aus kein Geschäftsmann, verstehst du. Ich bin Schatzsucher. Übrigens schon von Kindheit an!«
»Gut, trinken wir auf deinen nächsten Schatz!« Koljan lachte und füllte die Gläser. »Los! Auf einen Sack voll Goldmünzen? Oder lieber eine Kiste mit Diamanten?«
[190] »Lieber auf einen Koffer mit Diamanten und einer Pistole!« Igor hob sein Glas dem von Koljan entgegen.
Sie stießen an und tranken aus. Koljan verteilte die Fleischspieße über der vor Hitze zischenden Birkenkohle.
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