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Der Gärtner von Otschakow

Der Gärtner von Otschakow

Titel: Der Gärtner von Otschakow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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hast du da?« Koljan beugte sich zu ihm
    »Etwas aus meiner Schatzkiste, weißt du.« Auf Igors Gesicht lag ein betrunkenes Lächeln.
    »Ist die echt?«
    »Jawohl, gehört zur Uniform!«
    »Zeig mal!«
    Igor übergab Koljan die Pistole. Ihr kalter Metallgriff machte die warme Hand munter.
    »Stell mal die Flaschen da auf den Baumstumpf!«, befahl Koljan.
    Igor stellte die beiden Flaschen auf den Birkenstumpf, der von ihrem Picknick nicht mehr als fünf Meter entfernt war.
    Koljan zielte im Sitzen. Der Hahn knackte, aber es folgte kein Schuss. Koljan wunderte sich, zielte noch einmal und drückte wieder auf den Hahn. Wieder ein Versager.
    »Ist die nicht geladen?« Koljan sah Igor an.
    »Doch«, sagte der. »Ich habe es überprüft.«
    »Hör mal, überlass sie mir!«, bat Koljan. »Unter Freunden! An meinem Geburtstag warst du übrigens ohne Geschenk da!«
    »Du hast damals gesagt, Hauptsache, ich käme im Retro-Stil! Außerdem, was willst du mit einer Pistole, die nicht schießt?«
    »Für alle Fälle. Wir beide wissen, dass sie nicht schießt, alle anderen aber wissen es nicht! Vielleicht rettet sie mir auch ohne Schuss das Leben!!!«
    »Wer braucht denn dein Leben!« Igor lächelte und nahm ihm die Pistole wieder weg. »Willst du Betrunkene damit scheuchen?!«
    [194] Bei den Worten seines Freundes winkte Koljan ab und schien die Pistole sofort zu vergessen.
    »Gut, packen wir ein!«, sagte er und erhob sich nicht ohne Mühe von der Erde. »Wann geht der letzte Kleinbus?«
    »Bleib bei mir«, schlug Igor vor. »Wo willst du in dem Zustand denn hin?«
    »In welchem Zustand?!«, fragte Koljan entrüstet. »Wir haben prächtig gegessen, und einer, der gut gegessen hat, kann nicht betrunken sein!«
    Koljan riss sich wirklich zusammen. Er half Igor, seine Sachen einzusammeln, und vergaß auch nicht, den zweiten Beutel, den er ganz zu Anfang ihres Picknicks mit Pilzen gefüllt hatte, mitzunehmen. Schwankend traten sie aus dem Wald und wanderten die Straße entlang, vorbei an nur innen beleuchteten Häusern, vorbei an dem Gelb der Fenster und Fensterchen, hinter denen die Bewohner von Irpen sich zum Schlafen bereitmachten.
    An Igors Gartentor blieben sie stehen. Koljan weigerte sich entschieden, über Nacht sein Gast zu sein. Igor hatte weder die Kraft noch den Wunsch, seinen Freund zum Kleinbus zu begleiten. Aber Koljan bat ihn auch gar nicht darum.
    »Ich weiß noch, wohin«, sagte er zum Abschied. Und marschierte los in Richtung Busbahnhof.
    18
    Der Fotograf rief gegen elf an. Seine Stimme erschien Igor allzu freundlich. »Alles ist bereit, die Qualität ist großartig, Sie werden begeistert sein«, sagte er zu Igor. »Kommen Sie [195] her. Möglichst früh, wenn’s geht, denn ab zwei Uhr bin ich unterwegs, ein Abgeordneter hat ein Familienporträt bestellt!«
    ›Wollte er etwa damit angeben, dass er Abgeordnete fotografiert?‹, überlegte Igor verwundert, als er das Handy wieder in die Tasche seiner Trainingshose steckte.
    Er sah auf die Uhr. Die versprochene Begeisterung erwartete ihn nach einer Fahrzeit von einer Stunde, und drei Stunden blieben noch bis zum Aufbruch des Fotografen zu seinem Abgeordneten. Zeit war also mehr als genug. Und er hatte nicht die geringste Lust, irgendwohin zu eilen. Im Übrigen war das alles der Nachklang des gestrigen Picknicks. Kein Kopfweh, keinerlei Katersymptome. Nur eine träge Langsamkeit.
    Igor leerte eine Tasse Tee, nachdem er zuvor drei Löffel Zucker statt des üblichen einen hineingerührt hatte. Danach trank er einen Instantkaffee. Erst dann begann er sich fertigzumachen. Aber als er bereit war, sah er wieder auf die Uhr und fühlte von neuem eine gewisse Apathie, nicht den geringsten Wunsch, sich auch nur zu bewegen. Er trat nach draußen. Der Himmel war grau und traurig. Igor sah sich um und ging zum Schuppen. Die Tür war offen, drin herrschte undeutlicher Lärm. Er spähte hinein und sah Stepan, der mit dem Hammer alte Nägel aus Brettern heraustrieb. Drei Stapel Bretter lagen auf dem Betonboden.
    Stepan drehte sich um und warf dem Sohn seiner Arbeitgeberin einen kurzen Blick zu.
    »Du siehst heute ja verquollen aus«, bemerkte er gleichgültig. »Und ich habe den alten Zaun zerlegt, nagle ein paar Kisten zusammen, für die Zukunft.«
    [196] »Ein Anzug, Kisten…«, sagte Igor nachdenklich. »Und wo waren Sie gestern in Anzug und Krawatte?«
    »Ich war einfach in der Stadt, spazieren… Und werde das noch öfter tun. Sollen die Leute sich an mich gewöhnen und sehen,

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