Der Gast: Roman
spektakulär.
Doch seitdem war es jedes Mal schiefgegangen.
Vielleicht sollte ich zurück in Martas Wohnung gehen und …
Er spürte mit einem Mal einen Zug, ein Zupfen an der unsichtbaren Verbindung, als wollte derjenige, der diese Dinge steuerte, ihn zurückziehen.
Nein! So war das nicht gemeint! Ist schon okay!
Er widersetzte sich dem Zug und glitt weiter vorwärts durch die Nacht. Einen Moment lang war er unsicher, wo er sich befand, und er betrachtete die Gebäude und Straßen unter sich.
Vertrautes Gebiet.
Unbewusst musste er auf sein eigenes Viertel zugesteuert sein.
Pass bloß auf, dass du nicht in Karens Wohnung landest, ermahnte er sich.
Warum nicht? Solange ich nicht leibhaftig dort bin … Es war aufregend, in ihr zu sein.
»Vergiss es.« Er hörte seine Stimme in seinem Kopf, nicht jedoch in den Ohren.
Hatte er in Martas Wohnzimmer soeben in seinem Sessel »Vergiss es« gemurmelt?
Vielleicht. Dienstagnacht im Apache Inn, als Sue in ihm gewesen war, hatte ihr Körper sich gewunden, gestöhnt, gekeucht und geseufzt. Doch er hatte nicht gesprochen.
Vielleicht kommen Worte nicht durch.
Oder vielleicht doch.
Hoffentlich habe ich sie nicht geweckt.
Als er seinen Wohnblock unter sich sah, fragte sich Neal, was er tun sollte. Sollte er einen Nachbarn besuchen?
Wie wär’s mit Miss Universum?
Das ist genau das, was ich jetzt brauche, dachte er. Ich habe schon genug Probleme, weil ich in irgendwelche traumhaften Tussis gesprungen bin. Außerdem schläft sie vermutlich sowieso.
Wahrscheinlich schlafen alle.
Nicht alle.
Von seiner Position hoch über dem Gebäude sah Neal eine Menge Betrieb: einen Helikopter am Himmel über Century City; mehrere Flugzeuge, die den ungefähr fünfzehn Kilometer entfernten Flughafen ansteuerten und deren Landescheinwerfer die Dunkelheit durchschnitten; Autos und Lieferwagen, die leise durch die leeren Straßen fuhren; einen schwarz-weißen Streifenwagen, der auf dem Pico Boulevard stand und die Umgebung in flackerndes rotes und blaues Licht tauchte, während zwei Polizisten ausstiegen und zu einem hellen Lieferwagen gingen. Neal entdeckte hier und dort ein paar Leute, die ihre Hunde spazieren führten. Er sah eine Katze über eine Straße flitzen und unter einem parkenden Auto verschwinden. In allen Richtungen sah er beleuchtete Fenster. Hinter manchen davon bewegten sich Schatten; in den hoch aufragenden Bürogebäuden waren es vermutlich Reinigungskräfte, in den oberen Geschossen der Wohnhäuser Leute, die aus irgendwelchen Gründen noch wach waren und sich nicht die Mühe gemacht hatten, ihre Vorhänge zu schließen. Aus manchen Fenstern drang das Flackern von Fernsehern.
Es gibt genug Auswahl, dachte Neal.
Soll ich nach jemand Interessantem suchen?
Gib dir lieber Mühe, ermahnte er sich. Du hast bei jeder Reise nur einen Versuch. Da möchtest du doch nicht in irgendeiner Lusche landen.
Warum nicht? Warum sollte ich nicht experimentieren? Ich habe die ganze Nacht Zeit – oder zumindest den Rest der Nacht. Ich könnte hin und her springen, ein halbes Dutzend Leute ausprobieren …
Der Hof und der Swimmingpool seines Wohnblocks unter ihm schienen leer zu sein.
Er überlegte, ob er einen kurzen Abstecher in seine Wohnung machen sollte.
Und ihm wurde klar, dass ihm nichts anderes übrigblieb, jetzt, da er daran gedacht hatte. Ansonsten würde es ihn die ganze Zeit quälen, nicht dort nach dem Rechten gesehen zu haben.
Deshalb schoss er hinab, glitt durch die Balkonbrüstung und die Hauswand in sein Schlafzimmer. Er fuhr wie eine Windböe unter sein Bett, durch den Wandschrank und in das dahinterliegende Bad. Niemand in der Wanne, nichts in der Toilettenschüssel.
Weiter ging’s, er schlängelte sich um Ecken, sickerte durch Wände und Möbel, suchte die Dunkelheit nach Spuren eines Eindringlings ab.
Nichts.
Die Luft ist rein.
Er flog durch die Wohnungstür, landete weich in einem Mann und schrie auf.
40
40
Rasputin!
Er stand gebückt dicht vor der Wohnungstür und hatte zwei dünne Stahlwerkzeuge tief in das Schlüsselloch gesteckt.
Neal hatte keine Chance gehabt, ihn zu sehen.
Er war einfach mit der dunklen Masse auf der anderen Seite der Tür zusammengestoßen und hatte vor Schreck aufgeschrien.
Als er in ihm war, erkannte Neal ihn sofort.
Er spürte den brennenden Schmerz der Schussverletzungen.
Und er fühlte eine zittrige Beklemmung in dem Mann – ein wenig Angst, aber größtenteils Erregung.
Ein eisiges Beben in seinem
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