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Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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wahrscheinlich einen Grund brauchen. Sie können einen nicht einfach so durchsuchen, und es gibt keinen Grund, mich zu verdächtigen.
    Ich muss mich nur normal verhalten.
    Außerdem würde Neal an einer Stelle auf die Straße biegen, die mehr als einen Block von der Gegend entfernt war, wo die Polizei wäre – falls sie überhaupt da war. Er könnte einfach schnell nach links abbiegen, ehe er den Tatort erreichte, und zurück zum Venice Boulevard fahren.
    Kein Problem.
    Als er sich dem Ende der Straße näherte, warfen seine Scheinwerfer zwei bleiche Lichtkegel auf das Feld und beleuchteten die alten Gleise, den Müll und den steinigen Boden, das Unkraut und den Waldstreifen am Fuß der Autobahnböschung.
    Er fuhr langsamer, blinkte nach links und bog ab.
    Die Scheinwerfer schwenkten zur Seite.
    Unter den Bäumen an der Straße waren keine Lichter. Es liefen keine Leute herum. Keine Straßensperren. Keine Polizeiautos.
    Und kein Lieferwagen.
    Der Lieferwagen ist weg!
    Neal fühlte sich, als hätte er einen Schlag in den Magen bekommen.
    »O Scheiße«, stöhnte er.
    Mit klopfendem Herzen und ausgedörrtem Mund fuhr er langsam auf die Stelle zu, wo der Lieferwagen geparkt hatte.
    Er war weg. Eindeutig.
    Neal fuhr an den Straßenrand und schaltete das Licht aus.
    Was zum Teufel geht hier vor?
    Er spähte über das dunkle Feld.
    Es schien überhaupt nichts vor sich zu gehen.
    Aber wo ist der Wagen?
    Neal bemerkte, dass er keuchte, als hätte er gerade einen Hundertmeterlauf hinter sich.
    Beruhige dich, sagte er sich. Kein Grund, in Panik auszubrechen.
    Zur Hölle. Jemand hat den Wagen dieses Dreckskerls weggefahren.
    Bestenfalls war ein Autodieb vorbeigekommen und hatte ihn gestohlen.
    Wäre möglich.
    Aber was, wenn der Kerl selber in seinen Wagen gestiegen und weggefahren war?
    Er ist tot!
    Vielleicht auch nicht.
    Neal hatte viermal auf ihn geschossen. Er hatte gesehen, wie der Mann zu Boden gegangen war. Aber er hatte sich die Verletzungen nicht angesehen. Die Atmung und den Herzschlag nicht überprüft.
    Ich habe ihn getroffen. Ich weiß, dass ich ihn getroffen habe.
    Ein oder zwei Schüsse auf den Körper könnten das Ziel verfehlt haben, auch wenn er das bezweifelte. Und er war sicher, dass der Kopfschuss getroffen hatte.
    Bei seinen Recherchen für verschiedene Drehbücher war Neal jedoch auf Geschichten von Männern gestoßen, die trotz mehrerer Schussverletzungen überlebt hatten. Cole Younger, der Gesetzlose des Wilden Westens, hatte sich vermutlich zwanzig Kugeln eingefangen von dem Aufgebot, das ihn und seine Bande aus dem Hinterhalt angriff. Er erholte sich davon.
    Und was war mit Rasputin?
    Dieser Arsch hat sogar ausgesehen wie Rasputin.
    Es war fast unmöglich gewesen, diesen verrückten alten russischen Mönch zu töten. Man hatte versucht, ihn zu vergiften, zu erstechen und zu erschießen, doch er hatte überlebt. Schließlich hatten sie ihn ertränkt.
    Das waren jedoch kuriose Einzelfälle.
    Dieser Typ ist nicht aufgestanden, den ganzen Weg hierhergelaufen und weggefahren.
    Äußerst unwahrscheinlich.
    Wenn dem so wäre, müsste eine Menge Blut auf dem Boden sein.
    Neal schaltete die Scheinwerfer an, sprang hinaus und lief vor das Auto. Im hellen Licht untersuchte er den Seitenstreifen. Er entdeckte Reifenspuren in der trockenen Erde – ziemlich viele sogar. Er sah ein paar Grasbüschel, Unkraut, eine zerquetschte Bierdose, glitzernde Glasscherben, Bonbonpapier, leere Zigarettenschachteln, eine alte dunkle Socke, die zerfetzten Überreste einer kleinen Papiertasche.
    Kein Blut.
    Vielleicht bin ich an der falschen Stelle.
    Der Lieferwagen hatte hier in der Nähe gestanden, doch Neal hatte es nicht für nötig gehalten, sich die genaue Position einzuprägen. Möglicherweise suchte er zu weit vorn oder zu weit hinten. Vielleicht stand sogar sein eigener Wagen dort, wo der Lieferwagen geparkt hatte.
    Was soll ich tun, ein paarmal vor- und zurückfahren?
    Es würde niemandem auffallen.
    Er blickte zu dem Waldstück, wo er den Mann zurückgelassen hatte.
    Hör auf, hier herumzutrödeln, sagte er sich. Lauf rüber und sieh nach, ob er noch da ist.
    Er wollte nicht.
    Bei dem Gedanken, zurückzukehren und nach der Leiche zu sehen, breitete sich ein krankes, panisches Gefühl in seinem Magen aus.
    Außerdem würde es ewig dauern, die ganze Strecke hin- und zurückzulaufen. Und es könnte ihn jemand dabei sehen.
    Das Armband!
    Natürlich!
    Ein paar Sekunden später saß er auf dem Beifahrersitz, zog die Tür zu

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