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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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Nachmittag im Badehaus zu Stadtlohn. Erstaunte Gesichter in den Zubern, bei den Kübeln, auf den Schwitzbänken, und alle lauschten: kein Kanonendonner mehr, wahrhaftig! Großes Hallo und Palaver erhoben sich.
    Ein Mann mit Stoppelbart und kahlem Schädel stieg aus seinem Zuber, ging zum Kaltwasserkübel und leerte zwei Kannen Wasser über sich.
    »Der General Tilly hat schon wieder gesiegt!«, rief einer auf der unteren Schwitzbank. Oben, an der Treppe, stand einer mit geschientem Arm in der offenen Tür und rief: »So viel Kriegsvolk hat der Graf Tilly dem Tollen Halberstädter schon totgeschlagen und totgeschossen, dass er befohlen hat, den Ärmsten nicht länger anzugreifen!« Und ein dritter wollte erfahren haben, dass die Schlacht nicht länger als zwei Stunden gewährt hatte.
    Jubel wurde laut, sogar höhnisches Gelächter. Die meisten hier gehörten zum Tross von Tillys Armee, waren Metzger, Ingenieure, Korbflechter, Schmiede, Zimmerleute und dergleichen. Nur die Wasserträger und Holzknechte des Badehauses guckten säuerlich – die wohnten hier im Städtchen Stadtlohn, und kein Bauer und Bürger der Gegend hatte noch Grund zur Freude, seit erst fünfzehntausend protestantische Braunschweiger unter dem Tollen Halberstädter, dann ähnlich viele Kaiserliche unter General Córdoba und schließlich die katholische Liga mit noch einmal fünfzehntausend Soldaten unter dem Grafen Tilly das Münsterland heimsuchten.
    Der mit dem kahlen Schädel wischte das Wasser von der nackten Haut, während er zur hinteren Wand ging. Seiner kantigenMiene konnte man nicht ansehen, ob er sich über den Sieg der katholischen Liga freute oder nicht. Er nahm seine Unterkleider vom Wandhaken, zog sie an und schlüpfte dann in seine braune Mönchskutte. Freundlich lächelnd nickte er nach allen Seiten, während er die schmale Treppe hinaufstieg. Viele grüßten ähnlich freundlich zurück.
    Auf der Gasse vor dem Badehaus stand er einen Augenblick still und blickte lauschend in den Nachmittagshimmel. Nein, kein Kanonendonner mehr, auch sonst kein Kampflärm in und außerhalb der Stadt. Er zog die Kapuze über den Kahlkopf und machte sich auf den Weg zum nahen Marktplatz.
    Auf der schmalen Hauptgasse hallten Hufschlag und Wagenrattern zwischen den Fassaden. Der Kahlkopf trat zur Seite – eine Rotte kaiserlicher Kürassiere trabte vorbei, ein schwerer Wagen mit vier Pferden folgte, und diesem wiederum folgte ein Pferdegespann, das einen Wagen voller Leichen zog. Zwei Rotten Dragoner bildeten die Nachhut.
    Auf dem Marktplatz machten die Gefährten sich schon zum Aufbruch bereit: eine Handvoll Abenteurer, Spielleute, Landsknechte und Marketender aus dem Württembergischen, dem Hessischen und der Pfalz. Mit ihnen war der Mönch im Frühjahr an den Main nach Frankfurt gezogen und von dort weiter nach Köln. Im Sommer dann ging es bis an die Ruhr und schließlich hier herauf ins Münsterland und an die Grenze zu den Vereinigten Niederlanden. Die Hälfte der Gefährten wollte dem General Tilly seine Dienste anbieten oder ihr Brot in seinem Tross verdienen, die andere Hälfte wollte einfach nicht allein reisen; sie zog es in die großen Hansestädte hinauf, nach Hamburg, Magdeburg oder Lübeck.
    Der Mönch hatte andere Pläne.
    In der ersten Abenddämmerung machten sie sich gemeinsam auf den Weg zum nahen Lager von Tillys Heertross. Keiner sprach den Kahlkopf in seiner braunen Kapuzenkutte an, keiner stellte Fragen. Dass er ein Bettelmönch war, sahen sie ja, dass er zuden Franziskanern gehörte, hatte ihnen einer der Landsknechte erklärt, der selber einmal einer gewesen war, und dass er unter einem Schweigegelübde stand, hatte er ihnen gleich anfangs mit wenigen Gesten bedeutet.
    Der Landsknecht, der ehemalige Franziskaner, wunderte sich anfangs natürlich, dass ein Bettelmönch mit einem Pferd unterwegs war. Wiederum mit Handzeichen hatte der Kahlkopf seinen Auftrag erklärt. Der ehemalige Franziskaner gab sich zufrieden – dass ein Bettelmönch unter Schweigegelübde einen persönlichen Brief an einen Reiteroffizier zu überbringen hatte, schien ihm nicht völlig ausgeschlossen zu sein; und dass dazu ein Pferd nützlich war, sowieso nicht.
    An den Gassenrändern sah man da und dort zerstörte Häuser, außerhalb des Städtchens brannten einige Gehöfte, und im Menschengewimmel erkannte man die Einheimischen an ihren Trauermienen.
    Der Tolle Halberstädter hatte sechs Wagen voller Gold und Silber und sonstiger Kriegsbeute durch die engen

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