Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
Ehre. Sah die Welt ihn erst versöhnt mit seinem einzigen Sohn, dann würde sie auch bereit sein, die bösen Gerüchte über ihn zu vergessen. »Was soll denn daran sein an diesem ungeheuerlichen Geschwätz? Vater und Sohn sind doch ein Herz und eine Seele?« – so sollten die Leute denken und reden.
»Nein«, sagte Maximilian. »War es das?«
Der Herr Graf lief puterrot an und begann übergangslos zu toben. Gehorsam verlangte er, rief als Zeugin seiner väterlichen Autorität sogar die Heilige Schrift auf und beschwor Maximilian »den Schmutz abzuwaschen, womit er den eigenen Namen beworfen« habe, so drückte er sich aus. Er brüllte laut genug, um auch noch auf der anderen Seite der Burg in den Schweineställen gehört zu werden. Maximilian ließ ihn brüllen und ging.
Zwei Stunden später, am frühen Nachmittag, mussten sie alle wieder gute Mienen hinlegen – der grollende Vater, die frisch entjungferte Gattin, Maria und der zwischen Zorn und Verzweiflung hin und her gerissene Rittmeister. Sie hatten keine Wahl, denn wie schon am Vortag zur Trauung, kam auch heute der Kurfürst Johann Georg samt Gattin und vollzähliger Kinderschar aus dem nahen Torgau herüber; dort, auf Schloss Hartenfels, hielt er sich während der Weinlese gern auf, wenn die Regierungsgeschäfte es zuließen.
Seite an Seite mit Vater und Gattin und begleitet von Maria und Gemahl begrüßte Maximilian den bärigen Regenten von Sachsen an seiner Kutsche. Der Kurfürst, ein rechter Stoffel, hatteschon in Jugendzeiten gern mit dem Herrn Grafen gejagt und gesoffen; in jüngster Zeit nahmen sie häufiger auch den Prinzen von Bernstadt mit auf die Pirsch und in die Weinschenken. Seine Gattin hingegen, Magdalena Sybille von Preußen, galt als charakterstarke und kunstsinnige Frau. Trotz ihrer achtunddreißig Jahre und ihrer sieben Kinder – Maximilian begrüßte jedes einzelne mit Handschlag – war sie noch immer eine schöne Frau.
Alle strahlten, alle schmeichelten, alle trieben höfliche Konversation, und dennoch meinte Maximilian eine gewisse Zurückhaltung und Kühle zu spüren in der Art, wie der Kurfürst den Herrn Grafen begrüßte. Sie schienen bereits gegenwärtig zwischen ihnen, die beiden Toten aus dem kleinen Burghof, jawohl! Diese Erkenntnis erfüllte Maximilian mit grimmiger Genugtuung und half seinem überlegenen Lächeln durch den Nachmittag.
Nach Begrüßung, Imbiss und Umtrunk setzte man sich zum Komödiantenspektakel nieder. Die Geschichte vom zaudernden Prinzen Hamlet gaben die Engländer an diesem Nachmittag des Hochzeitsfestes.
Am Burgportal, bevor er hinter dem Kurfürsten und dem Herrn Grafen zur Terrasse hinausging, begegnete Maximilian unverhofft jener schönen Heidelbergerin. Sie mimte die Eilige, wollte ihm davonhuschen, doch er hielt sie fest.
»Nicht so schnell, schöne Komödiantin. Ist Sie denn tatsächlich bei den Engländern untergekommen?« Seine frisch angetraute Gemahlin runzelte unwillig die Stirn, die Heidelbergerin funkelte ihn aus ihren herrlichen Blauaugen an. In ihrer Miene schwankte es zwischen Scheu und Zorn. »So sieht man sich wieder, nicht wahr? Der Hausherr will Sie doch unbedingt noch persönlich begrüßen. Vielleicht nach der Komödie? Sie wird mir doch nicht noch einmal die Tür zuschlagen.«
»Verzeiht, Herr.« Sie machte sich los. »Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht. Und Arbeit wartet auf mich.« Sie tauchte ins Gedränge vor dem kleinen Rittersaal unter.
Sehr zufrieden und mit seiner Gattin am Arm suchte er ihre Ehrenplätze in der ersten Reihe auf. Auch der alte Italiener, der Maler, stand schon hinter seiner Staffelei bereit. Im Auftrag des Herrn Grafen sollte er ein Porträt des glücklichen Brautpaars malen. Maximilian wusste nichts dagegen einzuwenden.
Die Heidelbergerin entdeckte er nicht mehr im Gewimmel der Komödianten. Überhaupt kümmerte er sich nicht groß um das fahrende Volk, überließ alles Maria. Er wusste nur, dass Greenley krank lag und auch heute wieder auf der Bühne vertreten werden musste.
Lächelnd grüßte Maximilian nach allen Seiten. Ob die Heidelbergerin noch unverheiratet war? Ob man sie wenigstens allein erwischen konnte? Seine Schwiegermutter tauchte neben ihm auf – er erhob sich, um ihr die Hand zu küssen. So schlecht war es gar nicht, als künftiger Reichsgraf zu gelten und ordentlich mit der Nichte eines Herzogs verheiratet zu sein. Sein Schwiegervater nickte ihm wohlwollend zu. Gemeinsam nahmen sie wieder Platz.
Maximilian blieb
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