Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
Vom Netzwerk:
zuversichtlich: Er würde sich schon etwas einfallen lassen, um der Frau aus Heidelberg allein begegnen zu können. Rechts von ihm beugte der Herr Graf sich zum Kuss über die Mädchenhand seiner Schwiegertochter, bevor er sich neben sie setzte. Maximilian versuchte nicht hinzuschauen; er wollte sich die Blicke des wüsten Herrn Grafen ersparen, mit denen dieser zweifellos jetzt die Prinzessin von Coburg entkleiden würde.
    Einer in orangefarbenem und mit lauter gelben und blauen Rauten gemustertem Kostüm sprang auf die Bühne, der Pickelhering. Derselbe junge Komödiant spielte ihn, der gestern als armer Student nichts von Küssen zu wissen vorgegeben hatte; er schlich ein wenig herum, als sei Gefahr in Verzug. Wachen traten auf, dann ein Lehrer namens Horatio – der Narr stellte ihn vor –, ein Hahn krähte irgendwo und dann erschien zum ersten Mal der Geist.
    Maria tat, als gäbe es nichts Wichtigeres als das Gaukelspiel vonKomödianten, glotzte auf die Bühne, als könne sie ihr künftiges Schicksal auf ihr erfahren. Maximilian fragte sich, was in sie gefahren war. Auf der Bühne trat jetzt der Prinz von Dänemark auf.
    Es fiel Maximilian nicht leicht, ruhig zu sitzen und den aufmerksamen Zuschauer zu mimen. Immerhin gelang es ihm einmal, das Lächeln seiner mädchenhaften Gattin zu erwidern. Um Gottes willen! Was würde sie nicht alles aus diesem Lächeln lesen? Von Zeit zu Zeit sah er zu Maria hinüber, die links des Herrn Grafen saß. Sie konnte sich kaum sattsehen am Spiel der Komödianten. Besonders der Pickelhering schien ihr zu gefallen …
    Und plötzlich fiel es dem Rittmeister wie ein schwarzes Tuch von den Augen: Nicht die Spur eines schlechten Gewissens hatte ihr die Komödie gestern bereitet – Lust auf den jungen Komödianten, der den Studenten gab, hatte sie ihr gemacht! So auch heute: Nicht das Drama fesselte sie, sondern der neue Pickelhering. Daher also die ungewohnte Sprödigkeit heute Morgen. Maximilian grinste in sich hinein, und beinahe hätte er den Kopf geschüttelt über so viel Schwäche des Fleisches bei seiner Cousine.
    Die ersten Szenen der Tragödie rauschten an ihm vorbei: Unterhaltungen, ein Staatsakt, Begrüßungen, Selbstgespräche des melancholischen Prinzen. Trauer um den toten Vater – Maximilian hätte nichts nennen können, das ihm fremder gewesen wäre.
    Romeo und Julia hatte den Rittmeister nur gelangweilt; die Geschichte Von der Ehebrecherin amüsierte ihn wenigstens; die des Prinzen von Dänemark fesselte ihn von der Szene an, als der Geist zum zweitem Mal erschien und sich dem entsetzen Hamlet als Seele seines ermordeten Vaters vorstellte – und Rache forderte.
    Eine kalte, feuchte Mädchenhand lag plötzlich auf seiner Hand – Maximilian blickte erschrocken nach links: Seine frisch angetraute Gemahlin zerkaute sich die Unterlippe und suchte Halt bei ihm. Nach zwei Anläufen gelang es ihm und er legte seine Rechte auf ihre. Danach versuchte er sie zu vergessen und richtete seine Aufmerksamkeit ganz auf das Bühnengeschehen.
    Dort schwor Hamlet Rache, und der Geist zog sich zurück.
    »Habt ihr gehört, ihr frommen Christenmenschen?«, fragte der Pickelhering von der Bühne herab. Obwohl er flüsterte, verstand man jedes Wort. »Der Geist des ermordeten Vaters will er sein, aus dem Fegefeuer will er aufgetaucht sein, um Rache zu fordern.« Misstrauisch spähte der Narr nach allen Seiten und winkte, als wollte er die Zuschauer näher zu sich rufen. »Doch ist es wirklich der Geist seines toten Vaters?« Jede Linie im Gesicht des Pickelherings schien sich gegen diesen Gedanken zu sträuben. »Wie könnte denn einer sich Freigang vom Fegefeuer erwirken? Hat einer von euch frommen Christenmenschen etwa jemals dergleichen gehört? Glaubt man etwa hier in Sachsen derartiges? Ist es nicht also doch eher ein Teufel, der den Prinzen in Versuchung führen will?«
    Und die Tragödie nahm ihren Lauf.
    *
    Sie mussten dem kranken Prinzipal mit Spreu gefüllte Säcke in den kleinen Rittersaal schaffen und ihm ein Lager darauf einrichten. Darauf ruhte er während der gesamten Tragödie, und zwar zwischen den beiden offenen Fenstertüren zur Terrasse, durch das die Komödianten auf- und abtraten. Die Katze rollte sich schnurrend auf seinen Füßen zusammen.
    Aufmerksam lauschte er, gab Ratschläge, schimpfte zischend, wenn ihm etwas nicht gefiel, lobte, wenn die Komödianten es besonders gut machten. Wenn der Husten ihn plagte, presste er sich ein Kissen vor den Mund, damit die

Weitere Kostenlose Bücher