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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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Zuschauer draußen ihn nicht hören konnten. Susanna versorgte ihn mit Tee und erneuerte die Brustwickel, wenn er danach verlangte.
    Der Applaus und die Bravo-Rufe nach der letzten Szene fielen derart üppig aus, dass Greenley zunächst ungläubig die Stirn runzelte. Vier Mal mussten die Komödianten zum Verbeugennach draußen, zwischendurch auch jeder einzeln. Susanna lugte durch die Tuchbahnen, mit denen sie die Terrassentüren verhängt hatten – der Pickelhering bekam den längsten und lautesten Applaus.
    Die fiebrigen Züge des Prinzipals glätteten sich, als auch er es merkte, und er lächelte zufrieden. Aarons Miene dagegen verdüsterte sich.
    Nach dem letzten Applaus kamen die erschöpften Komödianten endlich in den Rittersaal. Es gab eine Menge Komplimente, Händeschütteln, Schulterklopfen und Umarmungen. Vor allem für David. Susanna fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Er war nass von Schweiß und guckte erschöpft aus seinem angemalten Gesicht – doch seine Augen leuchteten. Susanna sah ihm an, dass er in Glück und Stolz schwelgte.
    Becher wurden verteilt, Wein ausgeschenkt, man stieß an und feierte wie fast immer nach gut gelungenen Auftritten. Dem fiebernden Prinzipal wollte der Wein nicht recht schmecken, und er bat Susanna, ihm Apfelsaft aus der Burgküche zu holen und gleich auch nach frischem Senfmehl für die Brustwickel zu fragen.
    In der Burgküche fand Susanna niemanden mehr, das Feuer im Herd schwelte nur noch, Hintertür und Fenster zum kleinen Burghof standen offen. Draußen hörte sie eine Männerstimme reden, flüchtig sah sie jemanden bei den Gräbern stehen, auf denen vor der Turmmauer die farbenprächtigsten Dahlien und Rosen blühten. Sie guckte nicht genauer hin, wollte nur schnell zurück zu den Komödianten.
    Weil sie sich mit den Küchenleuten angefreundet hatte, wagte Susanna es und sah sich auf eigene Faust um. In der Vorratskammer fand sie schließlich, was sie suchte: das Fass mit dem Apfelsaft und die kleine Schüssel mit dem Senfmehl. Hastig füllte sie einen Krug mit Saft und einen Napf mit Senfmehl ab.
    Als sie die Kammertür mit der Schulter zudrückte und sich umdrehte, stand er unter der Hintertür und starrte sie an – derBräutigam und Hausherr der Herzenburg; der Edelmann, der in Heidelberg versucht hatte, ihr den Hof zu machen.
    »Unser kranker Prinzipal …« Susanna schluckte. »Er braucht frische Brustwickel und bittet um ein wenig Apfelsaft. Da dachte ich …«
    »Schon gut.« Er stieß sich vom Türrahmen ab, kam auf sie zu. »Fühle Sie sich nur wie zu Hause hier.« In seinem Blick flackerte etwas, das Susanna nicht gefiel, etwas Verstörtes, Verzweifeltes; seine Stimme klang belegt. Und plötzlich wusste sie, dass er es gewesen war, den sie draußen bei den beiden Gräbern hatte reden hören. Mit sich selbst.
    »Wie ist Sie aus Heidelberg entkommen?« Er blieb vor ihr stehen, musterte sie mit seinem trüben, verstörten Blick.
    »Entkommen?« Den Krug in der Linken, den Napf in der Rechten wich sie zurück bis zur Vorratskammertür. »Aus Heidelberg …?« Heißer Schrecken durchfuhr sie. Und dann begriff sie – seine Reiter waren es gewesen, die damals im Haus des Onkels nach ihr gefragt hatten. Eine blaue Standarte mit einem goldenen Hirschgeweih hatte man David beschrieben. Wehte nicht eine solche Fahne auch über dem Burgturm? Und auf der Neckarbrücke später, die kalte Stimme: »Regiment von Bernstadt, Kompanie von Herzenburg«, hatte jener Cornet damals gesagt. Und jetzt war sie hier, in der Burg des Mannes, der sie gesucht hatte, und hatte es nicht gemerkt.
    Er kam noch näher. »Will Sie es also nicht verraten.« Mit den Rücken von Zeige- und Mittelfinger strich er ihr eine Locke aus der Stirn. Er roch nach Wein, und Susanna zuckte zurück. »Ist es gut, bei den Komödianten zu leben?« Sie antwortete nicht, spähte nach einem Ausweg. »Feine Komödie, die sie da gespielt haben zu meiner Hochzeit – ›Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage‹!« Er warf die Arme hoch, wandte sich ab und lachte bitter. »Für immer schlafen oder Krieg führen ›gegen einen See voll Plagen‹. Sehr gut!« Er drehte sich um und starrte sie an. »Endlich handelnund leidenschaftlich zuschlagen oder zum Feigling erblassen – sehr gut!«
    War er wahnsinnig? Susanna bekam es mit der Angst zu tun, sie wollte zur Tür gehen, doch er versperrte ihr den Weg. »War es nun ein Geist oder ein Teufel, der den Prinzen Rache schwören ließ? Euer Dichter hat’s nicht

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