Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
seine Befehle unverzüglich befolgte. Und jeder tat es – penibel und unverzüglich –, denn jeder im großen Hofstaat und in der Stadtgarnison wusste, was ihn erwartete, sollte er es nicht tun.
An seiner Kutsche angekommen, begann der Fürst einen der Diener anzuschreien. Wachen wurden herbeigerufen, schleppten den Livrierten davon, um ihn hochoffiziell zu verprügeln, wie Hannes seinem Gejammer entnahm. Der Fürst hatte einen Fettfleck auf seinem Livree entdeckt.
Von Wallenstein, Landeshauptmann, Kämmerer und Offiziere stiegen in die Kutschen, und der Tross setzte sich in Bewegung. Hannes führte seine Männer und seinen Rappen zur Hofkämmerei, um das eingetriebene Steuergeld abzuliefern. »Wir beide bleiben zusammen, bis dass der Tod uns scheidet.« Er klopfte seinem Gaul auf den Hals. Die Männer hinter ihm, die es hörten, sahen einander erschrocken an. Ein Geschenk des Fürsten missachtete man genauso wenig wie seinen Befehl.
Widerspenstige Böhmen zu bändigen und Steuern bei ihnen einzutreiben war nicht die Art von Arbeit, von der Hannes geträumt hatte. Doch seit Nürnberg träumte er sowieso nicht mehr, seit Nürnberg verbrachte er seine Tage in dumpfer Gleichgültigkeit. So hatte er auch keinen Protest angemeldet, als man ihn der Kompanie zuteilte, die ausstehende Steuern eintreiben und Güter rebellischer Böhmen konfiszieren musste, die noch immer keinenkatholischen Kaiser über sich wissen wollten. Protest hätte ihm auch nichts genützt – er gehörte jetzt dem Fürsten von Friedland, wie gesagt. Und der hielt ihn wohl für einen ehrlichen Mann, der überzeugend auftreten konnte. Erst hatte er ihn zum Wachtmeister gemacht und ein halbes Jahr später gleich zum Leutnant.
Nur einmal hatte die gleichgültige Dumpfheit sich gelichtet, die sein Gemüt seit Nürnberg verdüsterte. Jan von Brüggen hatte ihn in die Garnisonsstube gerufen und ihm erklärt, dass der Fürst Werbungen im großen Stil vorbereite und gezielt Offiziere mit gutem Ruf und Namen anspreche. Spätestens im Sommer 1625 würde es wohl ins nordwestliche Reich und wieder in den Krieg gehen, und ob unter diesen Namen – dabei reicht er ihm eine Liste – ein Kommandeur sei, unter dem er schon gedient habe oder den er kenne, unter dessen Fahne jedenfalls er gern wieder kämpfen und Beute machen würde. Hannes hatte die Liste gleichgültig überflogen, und wäre sie nicht so kurz gewesen, hätte er den Namen wohl übersehen: Maximilian von Herzenburg, Obristleutnant.
»Den kenn ich«, sagte er. »Ein Held – hat tapfer gekämpft vor Heidelberg und Mannheim. Unter dem will ich reiten, wenn es so weit ist.« Seelenruhig sagte er das, doch in seiner Brust bebte es.
Die eigentlichen Werbungen sollten erst im Frühjahr beginnen – vorausgesetzt der Wiener Hof gab sein Zaudern auf und erhob Wallenstein endlich zum kaiserlichen General. Dann jedoch würde alles sehr schnell gehen müssen, und Hannes sollte mit seiner Kompanie ins Fränkische und Mitteldeutsche reiten, um bei den Werbungen und Musterungen mitzutun. Das hatte von Brüggen ihm eröffnet, als er Hannes vor kurzem zum Leutnant erklärte.
Eine halbe Stunde später, als er aus der Hofkämmerei wieder zu seinen Männern auf den Palasthof trat, merkte Hannes die Veränderung sofort: Baulärm hallte von den Fassaden wider, grinsende Gesichter und entspannte Haltungen bei den Leuten auf denBaugerüsten und draußen auf dem Hauptplatz; Kinder rannten um den Springbrunnen, alte Leute saßen unter den Bäumen und überall sprangen Hunde herum.
Der Fürst verabscheute Hunde, und man musste sie einsperren, wenn er sich in Gitschin aufhielt.
Am Abend wurde es richtig kalt; kein Zweifel, der Winter stand vor der Tür. Sie entfachten ein Feuer im Garnisonshof und feierten irgendjemandes Geburtstag. Ein Schwein und ein Kalb drehten sich an Spießen, und der Wein floss in Strömen. Auch Hannes trank viel zu viel an diesem Abend; das tat er schon, seit er in Nürnberg Jan Edelmann begegnet war.
Irgendwann tauchte ein abgekämpfter Reiter im Garnisonshof auf und fragte nach von Brüggen. Er trat ans Feuer, wärmte sich Hände und Gesicht und schielte nach Braten und Wein. Hannes gab ihm zu essen und zu trinken. Den ersten Becher Wein stürzte er auf einen Zug herunter, mit dem zweiten und dritten ließ er sich mehr Zeit.
Ihm wurde wärmer, und er begann zu reden: Aus Kursachsen komme er, erzählte er, sei wie der Teufel von Torgau und der Herzenburg die Elbe herunter geritten. Hannes
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