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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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verraten wollen, euer Pickelhering auch nicht. Und die Mörder mussten trotzdem sterben.« Er presste die Lippen zusammen, senkte den Blick und fügte seufzend hinzu: »Und der Rächer auch.«
    So stand er eine Zeitlang, und Susanna wusste nicht wohin mit sich. Vielleicht war der Grafensohn doch nicht wahnsinnig, vielleicht war er nur tieftraurig. Er hob wieder den Kopf und sah sie an: »Fühlt Sie sich auch manchmal so allein?«
    »Man erwartet mich.« Susanna wollte an ihm vorbei.
    Er fasste sie bei den Schultern. »Ist es also gut, bei den Komödianten zu leben?« Sie nickte. »Ich wüsste dennoch etwas Besseres für Sie.« Susanna hatte Mühe, ihren fliegenden Atem zu bändigen. Sie musste hinaus aus der Küche, so viel war gewiss – sollte sie einfach schreien? »Ich bin wohlhabend, werde ganz allein erben. Alles hier und noch mehr.« Er nahm ihr erst den Krug ab und stellte ihn auf den Herd, dann den Napf mit dem Senfmehl. »Zu meiner Verwandtschaft zählt jetzt ein Herzog, und nicht mehr lange und ich werde hoher Offizier eines mächtigen Feldherrn sein. Warum sollte nur eine einzige Frau an meinem Glück teilhaben? Und im Bett wird Sie so schnell keinen Besseren finden.«
    »Ihr seid ja betrunken!« Schlagartig begriff sie, dass er ihr anbot, seine Mätresse zu werden. »Oder wahnsinnig. Ihr habt doch gerade erst gestern geheiratet!«
    Er lächelte müde und winkte ab. »Politik, nichts weiter. Meine Anwesenheit bei der Hochzeit wäre eigentlich gar nicht erforderlich gewesen. Doch der Krieg wird eintönig mit der Zeit, da ist man dankbar für jede Abwechslung. Und eine Hochzeitsnacht erlebt man nicht alle Tage …«
    »Ihr redet wie der wüsteste Landsknecht!« Sie wollte nach Krug und Napf greifen, doch er hielt sie fest. »Lasst mich gehen!«
    »Sie weiß also, wie Landsknechte reden? Dann weiß Sie ja auch, dass Landsknechte sich nehmen, was sie haben wollen.«
    »Ihr sollt mich gehen lassen!« Sie schlug ihm die Fäuste gegen die Brust.
    Er feixte nur. »So wütend gefällst du mir noch besser.« Er zog sie an sich und versuchte, sie zu küssen. Sie trat nach ihm, kratzte ihn, der Weingestank machte sie wahnsinnig. Sie biss ihn und spuckte, doch er lachte nur und nahm es als Ringkampf. Ein Abfalleimer fiel um im Gerangel, der Gestank verdorbenen Fisches erfüllte plötzlich die Küche und dazu sein Weinatem – Heidelberg schien hautnah auf einmal, schien näher als diese Burgküche, gegenwärtiger als dieser Oktobertag, und die Panik, die Susanna jäh überfiel, gab ihr übermenschliche Kraft: Sie riss sich von ihm los, packte eine der Bratpfannen auf dem Herd und schlug sie ihm gegen den Kopf. Blutend stürzte er hin, Susanna aber floh schreiend in den kleinen Rittersaal zu den Komödianten.

6
    A n der Spitze seiner Rotte ritt er durch eine nicht enden wollende Allee aus jungen Linden auf ein prachtvolles Stadttor zu. Gitschin hieß die Stadt hinter Mauern und Tor, Friedland das Herzogtum, dessen Residenz sie war. Eine Tagesreise weiter südlich lag die böhmische Hauptstadt Prag. Die Luft roch schon nach Winter, und manchmal fragte sich Hannes immer noch, wie um alles in der Welt er hierhergekommen war.
    Pferde grasten auf den Weiden rechts und links der jungen Linden, hunderte und eines schöner als das andere. Ihr Besitzer, der Fürst von Friedland, liebte Pferde über alles. Ein liebliches Land erstreckte sich zu allen Seiten – sanfte Hügelketten, Flusstäler, weite Grasebenen dazwischen und immer wieder ausgedehnte herbstliche Laubwälder. Die böhmische Landschaft war beinahe so schön wie der Odenwald und das Neckartal. Doch Hannes nahm sie kaum wahr.
    Die Torwachen grüßten, öffneten das Tor und schlossen es hinter ihnen wieder. Gitschin war ein hübsches Städtchen, zu hübsch nach Hannes’ Geschmack. Den großen, rechteckigen Hauptplatz säumten auf drei Seiten Bürgerhäuser, die aussahen, als hätte man sie vorgestern vollendet und gestern verputzt und bemalt. Die meisten waren zweistöckig, und die Frontfassaden aller ruhten auf großzügigen Arkaden. Wahrhaftig – das sah putzig aus.
    In der Mitte des hübsch gepflasterten Platzes umgaben kreisförmig gepflanzte und sorgfältig beschnittene Bäume eine Säule. Der Platz wirkte auffallend sauber. Nirgendwo konnte Hannes Essensreste, Herbstlaub, Abfall oder Hundehaufen entdecken; es liefen überhaupt keine Hunde auf diesem Platz und in den abzweigenden Gassen herum. Auch Kinder spielten nirgends, niemand saßin beschaulicher Ruhe

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