Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
horchte auf. Sein Blick fiel auf das in Leder gekleidete Rohr am Bandelier des Boten.
Leider hätten polnische Kosaken es auf ihn abgesehen gehabt, berichtete der Bote, sodass er große Umwege reiten musste, um sie abzuschütteln. Und nun suche er den Obristen Jan von Brüggen, weil er ihm eine Botschaft zu überbringen habe. Er schlug auf das Depeschenrohr.
»Der hat heute unseren Fürsten nach Prag begleitet.« Hannes winkte den Boten zu sich. »Wird wohl bis morgen auf die Botschaft warten müssen.« Trotz des vielen Weines fühlte Hannes sich auf einmal hellwach. Er gab dem Boten zu trinken, fragte ihn aus, gab ihm wieder zu trinken, und als seine Reiter den Mann zum Würfelspiel aufforderten, wusste er immerhin, dass ein stark beunruhigter von Herzenburg die geheime Botschaftgeschickt hatte, ein von Herzenburg, der dringend auf Antwort wartete und in dessen Zügen der Bote sogar Angst erkannt haben wollte.
Bald konnte der Mann nicht mehr würfeln, nicht mehr verständlich sprechen, nicht mehr stehen. Sie brachten den Betrunkenen in ein Quartier. Hannes befahl einem Gefreiten, sein Pferd zu versorgen.
Als er allein mit dem Boten und seinem Schnarchen war, öffnete er das Depeschenrohr, holte das Schreiben heraus und brach ohne zu zögern das Siegel.
Als wenn er es geahnt hätte: Es ging um ihn – der verhasste Rittmeister bat von Brüggen um einen Bericht über einen Corporal Johannes Stein.
Corporal war er früher einmal gewesen, Wachtmeister seit zwei Wochen nicht mehr, doch Johannes Stein hieß er noch immer. Hatte der Rittmeister Verdacht geschöpft?
Hannes ließ das Schreiben sinken. Was nun? Er versuchte sich zu erinnern, wie viel er von Brüggen seinerzeit über sich erzählt hatte. Er war ja bereits stark berauscht gewesen, als der Edelmann sich zu ihm an den Tisch setzte in jener Nürnberger Schenke. Von seiner Verlobten, die mit einem Komödianten durchgegangen war, hatte er erzählt, daran erinnerte er sich gut. Und später, vor der eigentlichen Werbung und noch im Kerker, hatte er von Kämpfen in Böhmen und der Oberpfalz fantasiert, und von einem Dragonerhauptmann namens Schmid, unter dem er angeblich gedient habe. Als Geburtsort hatte er Magdeburg angegeben.
Kein Wort über Heidelberg und Mannheim, nichts über seine Familie – bewusst nicht, denn Hannes musste ja damit rechnen, dass man ihn in Tillys Armee als Fahnenflüchtigen suchte.
Er entschied, es zu wagen und die Botschaft weiter ihren Weg zu von Brüggen gehen zu lassen. Also rollte er sie, schmolz das Siegel wieder zusammen, so gut es eben ging, und steckte sie zurück ins Rohr am Gurt des schnarchenden Trunkenbolds. Wer wusstedenn, ob sie ihn nicht schneller in die Nähe des verhassten Rittmeisters bringen würde, als er sich hatte träumen lassen?
*
Den Winter verbrachte der Rittmeister auf der Herzenburg. Jagdzüge in den Winterwäldern, Eisfischen auf der Elbe, Schlittenfahrten und vor allem zahlreiche Ausbesserungsarbeiten an der Burg, die beaufsichtigt werden mussten. Dem Herrn Grafen ging er aus dem Weg, wenn er konnte, und der Herr Graf ging ihm aus dem Weg.
Seine junge Frau rührte Maximilian nicht mehr an. Das nahm sie ihm übel, er merkte es an ihrem Schmollmund und ihrer ständig schlechten Laune. Manchmal gab er sich Mühe, redete freundlich mit ihr, nahm ihre Hand, küsste sie sogar einmal auf die Wange. Jedes Mal leuchteten dann ihre Augen auf und sie schöpfte Hoffnung. Umsonst. Er schaffte es einfach nicht, seinen Widerwillen gegen sie zu überwinden.
Ende des Jahres endlich Botschaft aus Friedland: Man bestätigte ihm seinen neuen Rang als Obristleutnant und schickte ihm seinen ersten Sold. Und der Bote mit der Nachricht des Werbeoffiziers traf ein: Jener Corporal Johannes Stein stammte aus Magdeburg, hatte wohl nichts mit der Sippe von Schneebergers Hure zu tun. Von Brüggens Botschaft beruhigte Maximilian nicht wirklich.
Nach dem Winter dann gute Neuigkeiten – Ferdinand wollte Wallenstein in den Stand eines Herzogs erheben und ihm den Oberfehl über die kaiserlichen Truppen geben. Viele Truppen hatte er nicht mehr, der Kaiser, doch der Friedländer hatte ihm ein Heer von fünfzigtausend Mann versprochen. Die Kosten dafür wollte er vorstrecken. Welcher Potentat konnte ein derartiges Angebot ausschlagen?
Dann der Marschbefehl. Umfängliche Werbungen und Musterungen standen an, und Maximilian sollte dabei helfen. Natürlich hatte Wallenstein den Grundstock für sein kaiserliches Heer längst gelegt –
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