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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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der Proculus ja nun nicht anheimgefallen, Verehrtester«, sagte Maria von Bernstadt. Sie ging neben David und hatte sich ganz in einen dunkelgrünen Seidenmantel gehüllt; als wollte sie sich und ihr Blondhaar verbergen. »Sonst hätten wir seine Geschichte heute nicht auf der Bühne sehen können.« Manchmal berührte sie wie aus Versehen Davids Hand, was ihm durch und durch ging, und er fragte sich erschrocken, worauf das noch hinauslaufen sollte.
    Der Markgraf musste der Prinzessin recht geben und verneigte sich in ihre Richtung. »Doch nur, weil ein Dichter zur Feder griff, denken wir noch heute an Proculus. Und aus welchem Grund hat der Dichter das Schicksal dieses Usurpators in Verse gegossen? Einzig, damit es uns als Warnung vor Augen stehe und wir uns nicht nach Stand und Herrschaft gelüsten lassen, die uns gemäß Blut, Herkunft und Talent nicht zustehen. Wie dieser Wallenstein etwa, den der Kaiser erst zum Herzog von Friedland und dann zu seinem Generalissimus gemacht hat.«
    Zustimmendes Gemurmel erhob sich um ihn herum. Derart angespornt blieb der Markgraf stehen, deutete über die Elbe zur Silhouette des Dresdner Schlosses und rief mit jenem Überschwang, den nur der Wein, die Liebe oder das Theater schenken können: »Über die Herrscher, die von diesem Schloss aus unser schönes Sachsen so weise regiert haben und noch immer regieren, wird man auch in tausend Jahren noch reden! Doch ich wettehundert Dukaten, dass man Wallenstein schon in fünfzig Jahren vergessen haben wird!«
    »Eine angenehm sichere Wette, Königliche Hoheit«, lächelte Greenley, »denn wenn Ihr sie verliert, müsstet nicht Ihr, sondern Eure Enkel sie bezahlen.« Die Schar der Spaziergänger lachte.
    »Doch selbst wenn sie schon morgen zu begleichen wäre, werdet Ihr keinen finden, der mithält«, erklärte ein Cousin des Kurfürsten. »Denn wer sollte schon für einen wie diesen Emporkömmling aus Böhmen zur Feder greifen und dichten?« Die Zustimmung der meisten war dem Manne sicher und dem Markgrafen sowieso. Schon in Wien hatte David gehört, dass keiner unter den Fürsten des Reiches diesen Wallenstein mochte, nicht einmal der sächsische Kurfürst, der doch sonst alles guthieß, was vom Kaiser kam.
    »Nun, meine Königlichen Hoheiten und verehrten Freunde«, sagte Greenley, und David wusste im selben Augenblick, dass der Prinzipal zu einem seiner ausführlicheren Monologe anhob. »Gehen wir nicht gar zu streng ins Gericht mit dem armen Proculus und Männern seines Zuschnitts. Die Welt ist ein Gefängnis – sagt es nicht so der Prinz von Dänemark an einer Stelle der Tragödie von Hamlet? Und wem wollte man es verübeln, wenn er sich ein bequemes Plätzchen in diesem Gefängnis sucht, eines, an dem es nicht ganz so karg und hart zugeht?« Er blieb stehen und blickte in die Runde. »Hand aufs Herz, meine Königlichen Hoheiten und verehrten Freunde! Tun wir das auf unsere Weise nicht alle?«
    Von der Seite sah David im Halblicht die Kaumuskeln der Prinzessin unter dem halb durchsichtigen Seidenmantel beben. Ihre Stirn schien gerunzelt, ihre Lippen gespitzt, als würde ihr nicht behagen, was Greenley da äußerte. Dem Markgrafen und dem Cousin des Kurfürsten ging es ähnlich – sie brachten allerhand Einwände gegen Greenleys Ansicht vor, und im Weitergehen entspann sich ein lebhafter Disput.
    Im letzten Tageslicht fuhr ein von Laternen beleuchtetes Segelschiff auf der Elbe vorbei, man blieb stehen und winkte. Die auf dem Schiff winkten zurück. Einer an der Bugreling richtete gar eine Muskete in die Luft und schoss Salut. Eine heimkehrende Jagdgesellschaft, wie es aussah.
    Bald wurde es dunkel, man machte sich auf den Rückweg, überquerte unter dem Gefunkel des Sternenhimmels die prächtige Elbbrücke und flanierte ein Stück in die Stadt hinein. Ein Spaziergänger nach dem anderen verabschiedete sich. Nur Aaron, John Taylor, Piet van Dam, Maria und David blieben noch übrig. Und natürlich der Prinzipal.
    »Was ist es, das dich so leidenschaftlich deinem Beruf nachgehen lässt, Christopher?«, wollte Maria von Bernstadt von ihm wissen. »Was treibt dich auf die Bühne? Was treibt dich in die Gestalt des Pickelherings und in die fremde Haut der Figuren, die du spielst?«
    »Eine gute Frage, Königliche Hoheit, die beste heute Abend, verehrte Maria.« Sie kamen an der Einmündung einer Gasse vorbei. Aaron deutete hinein und auf den Eingang einer Schänke hundert Schritte weiter. »Die Welt ist ein Gefängnis, Shakespeare hat

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