Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
nachts hat man euch kaum noch stöhnen gehört auf der Fahrt nach Dresden.«
»Sicher.« Susanna zuckte mit den Schultern. »Die Geburt, das Stillen – die Liebe rückt da leicht ein bisschen in den Hintergrund.«
»Bei uns war das nicht so«, sagte Helena. »Und es muss auch nicht so sein.« Susanna wusste nichts zu antworten. Fragend sah sie Helena an. »Und dann die Prinzessin …«
»Die Prinzessin? Was ist mit ihr?«
»Merkst du es wirklich nicht? Sie schaut deinen Mann manchmal an, wie eine verheiratete Frau einen verheirateten Mann einfach nicht anschauen sollte.«
»Ach, wirklich?« Susanna lachte und winkte ab. »Das hat doch nichts zu bedeuten, Helena. Maria von Bernstadt ist einfach verrückt auf Komödien und Komödianten. Den Rowland hat sie doch genauso angeschaut. Und den Prinzipal auch, und selbst den Aaron. Dabei machen die beiden sich doch gar nichts aus Frauen!«
»Stimmt schon.« Helena wich ihrem Blick aus. »Wahrscheinlich hast du recht.« Mit dem Finger wischte sie Likörreste aus ihrem leeren Glas. »Ein wirklich leckeres Tröpfchen.« Sie lutschte ihren Finger ab und lächelte.
»Natürlich habe ich recht.« Susanna stutzte – allzu schnell ließ ihr die Freundin das Thema fallen. Sie lauschte in sich hinein. Regte sich da doch eine Spur von Zweifel an Davids Treue? Nein. Und wenn, wollte sie nichts davon wissen. »Es bedeutet nichts, glaub mir das, Helena.«.
*
Der Applaus ließ nicht nach, noch einmal musste David auf die Bühne, noch einmal sich verbeugen, noch einmal in die Menge der Zuschauer winken. Der Beifall brandete noch lauter auf, es war wie ein Rausch. Greenley kam zu ihm, verbeugte sich an seiner Seite und winkte schließlich auch die anderen Komödianten auf die Bühne. Alle fassten einander an den Händen und verbeugten sich miteinander. Bravorufe und Händeklatschen wollten kein Ende nehmen. Das sächsische Herrscherpaar und seine fürstlichenGäste jubelten ihnen zu, die Edelleute aus Kursachsen, die reichen Bürger aus Dresden. David genoss es in vollen Zügen.
Heute, am ersten Sonntag im August, hatten sie das erste der einzigen beiden Stücke gespielt, die der Prinzipal für diesen Monat vorgesehen hatte: die tragische Komödie vom römischen Tyrannen Proculus, der dem Kaiser Probus für kurze Zeit den Thron streitig machen konnte. Weil Rowland noch immer nicht aus England zurückgekehrt war, hatte David den Proculus dargestellt.
Endlich waren die Zuschauer im sogenannten Riesensaal zufrieden, die Komödianten traten zum letzten Mal ab und huschten hinter den Vorhang. Davids Wangen glühten, sein ganzer Körper bebte. »Gut gemacht.« Der Prinzipal schloss ihn in die Arme. »So langsam muss man dir ja jede Rolle zutrauen«, flüsterte er ihm ins Ohr.
David bedankte sich artig, nahm auch die Glückwünsche der anderen entgegen und achtete nicht auf so manchen missgünstigen Unterton. Seine Frau umarmte ihn stürmisch und küsste ihn auf den Mund, die Prinzessin gab sich scheu und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Fast bedauerte David, dass der Kurfürstliche Hof für vier Wochen auf Reisen ging und der nächste Auftritt erst für den letzten Sonntag des Monats geplant war. Später, beim Essen, gratulierten und bedankten sich auch die Fürstin und etliche ihrer edlen Gäste. In den letzten zwei Monaten hatten die Sachsen ihre Liebe zu Tragödien und Komödien entdeckt.
Wie in den meisten Städten im Reich spielten die Engländer immer von drei Uhr nachmittags bis ungefähr sechs Uhr am Abend. Nach dem Essen war also noch reichlich Zeit, und sie brachen zu einem Abendspaziergang entlang der Elbe auf – eine Handvoll Zuschauer, denen das Stück gefallen hatte, einige Höflinge, die Prinzessin von Bernstadt und die meisten Komödianten. Susanna und Helena brachten die Kinder zu Bett.
Wie oft, wenn Männer und Frauen aus dem Publikum dabei waren, sprachen sie über das Stück. »Wie dem Proculus ergeht esdoch letztlich allen Emporkömmlingen!« Voller Pathos ereiferte sich ein Markgraf aus dem böhmischen Grenzland. »Rasch steigt ihr Stern auf, leuchtet für kurze Zeit und verglüht dann so gründlich, als hätte es ihn nie gegeben. Und dann fällt er für immer der Vergessenheit anheim.«
»Wie die meisten von uns, nicht wahr, Königliche Hoheit?«, sagte Greenley schmunzelnd und in seiner unnachahmlich charmanten Art. David grinste, und Aaron, der Tod und Krankheit fürchtete wie sonst nichts, sah er eine finstere Miene ziehen.
»Der Vergessenheit ist
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