Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
Geschichte vom Verrat eines gewissen Rittmeisters von Herzenburg, angestiftet durch seine Cousine, die Prinzessin von Bernstadt, und dem ihr in Unzucht zugetanen David Villacher.
David ließ alle Hoffnung fahren. Er machte sich gar nichts mehr vor: Maria und er, sie saßen in der Falle. Und wenn es nach dem üblichen Gang der Welt lief, würde man einen Grund finden, Maria freizusprechen und viele Gründe, ihn zum Sündenbock zu machen. Was aber sollte dann aus dem Kind werden, wenn er auf dem Henkersblock endete? Wage ich die Flucht, stehe ich als Feigling vor Maria da, sagte er sich, wage ich die Flucht nicht, als Rabenvater, denn Susanna wird sich womöglich als Hure verkaufen müssen, um unseren Jungen durchzubringen.
Ein großer Schrecken packte ihn. Was um alles in der Welt hatte er da angerichtet? Als hätte ein starker Bär ihn erbeutet, der ihn an seiner Brust zerquetschen wollte, so kam er sich vor; kein gezähmter Tanzbär allerdings, ein wilder Bär, der tat, was er wollte.
David atmete gegen das Gefühl an, ersticken zu müssen. Maria saß ganz steif, war blass und lächelte in die Runde, während Aaron seine Geschichte erzählte. Da und dort gestattete sie sich gezielte Anfälle von Empörung und schalt den Engländer einen Verleumder und Rufmörder.
»Um der Zucht in der Stadt willen müssen wir wohl beide festnehmen lassen«, seufzte der Bürgermeister, und die Richter gaben ihm recht.
Jetzt musste es sein. David sprang auf, entriss der Wache neben ihm die Hellebarde, setzte über den Tisch und zerstieß das mittlere Fenster des Saales mit der Waffe. Dann sprang er hinaus und rannte quer über den Marktplatz. Als ein Waffenknecht des Profosseine Muskete aus dem Fenster abfeuerte, war er längst in eine der zahlreichen Gassen abgebogen.
*
»Er ist mein vor Gott angetrauter Gatte, wo er sich versteckt, weiß ich nicht, und wenn er wirklich die Ehe gebrochen hat, möge Gott in seiner großen Gnade ihm verzeihen.« Das antwortete Susanna, wenn der Profos und der Richter sie in Begleitung des Henkers, zweier Steckenknechte und eines Magistratsherren besuchten und mit Fragen traktierten. Sie gab diese immer gleiche Antwort in immer neuen Variationen. Die Männer glaubten ihr, vielleicht wegen des Kleinen. Die Untersuchungen gegen Maria von Bernstadt liefen schleppend – die Verteidigung der Stadt gegen von Arnims Truppen band alle Kräfte ihrer Bürger. Bald wollte auch niemand mehr die Frau des Komödianten mit Fragen belästigen.
Für Susanna brachen plötzlich wieder schwere Zeiten an: Der Krieg tönte von Tag zu Tag lauter vor den Mauern Stralsunds. In der Stadt herrschte Angst. David blieb verschwunden, und die Kreuzer in der Schatulle schwanden dahin wie Schnee in der Märzsonne. Helena, Piet und Charly Rowland bedrängten Susanna, mit ihnen nach Stockholm zu segeln, und als das Schiff mit dem Schwarzpulver des Schwedenkönigs endlich im Hafen vor Anker ging, hätte Susanna beinahe eingewilligt.
Doch dann steckte ein Spielmann auf dem Marktplatz ihr am nächsten Tag eine Nachricht von Hannes zu. Ich komme zu dir in die Stadt hinein , hieß es in der, warte auf mich . Und am selben Abend, als sie in die Kirche gehen und beten wollte, beugte eine dicke Frau sich zu John hinunter und drückte ihm einen Apfel in die Hand. Danach drehte die Frau sich sofort um, lief davon und winkte Susanna mit einer versteckten Geste hinter sich her.
David! Er hatte sich verkleidet! Nicht einmal sein Söhnchen erkannte ihn.
Susanna folgte ihm. Im Hafen sah sie die Frauengestalt in einer großen, hölzernen Halle verschwinden. Darin fand sie David zwischen Kisten voller Kleider, Schuhe, Gürtel und Schmuck. Das alles stammte von polnischen Kriegsschauplätzen, und ein Schiff, das es zum Waschen und Ausbessern nach Schweden hätte bringen sollen, war in Seenot geraten und hatte seine Ladung in Stralsund löschen müssen.
»Verzeih mir, wenn du kannst«, sagte David. »Ich habe mir die Grube selbst gegraben, in die ich jetzt gestürzt bin. Ich habe schlimmes Unglück angerichtet, verzeih mir, wenn du kannst.« Er weinte, und Susanna schloss ihn in die Arme und weinte mit ihm. Der Junge betrachtete seine Eltern mit großen Augen, kroch Susanna auf den Schoß und steckte den Daumen in den Mund.
Sie berieten, was man tun könnte. Gemeinsam auf das schwedische Schiff schleichen kam nicht in Frage, denn die Bürgerwehr bewachte es streng. Flucht aus der Stadt würde sie nur in die Arme der Kaiserlichen treiben, und
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