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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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Mönch sich im linksrheinischen Gernsheim bei dem spanischen General Córdoba auf und schmiedete Kriegspläne gegen die Rheinpfalz und ihre Festungen: gegen Heidelberg, Mannheim, Frankenthal und Dilsberg.
    Hannes ritt weiter, und er ritt wie der Teufel, bis er am Nachmittag endlich die heimatlichen Wälder erreichte. Der Schnee fiel inzwischen immer dichter. Als Rauchwolken über den Baumwipfeln im Süden aufstiegen, erschrak Hannes bis ins Mark und hielt seinen Rappen an. Rauchwolken? Hier? Obwohl es schneite?
    Atemlos lauschte und spähte er. Dort, wo er die Rauchwolken entdeckt hatte, lag sein Dorf. Oder täuschte er sich? Er verließ den breiten Reitweg und lenkte seinen Rappen durchs Unterholz weiter nach Süden. Bald glaubte er, Flammenschein in den Rauchschwaden unter dem Winterhimmel zu erkennen. Und dann hörte er Schreie.
    Sie kamen aus dem Dorf, jetzt war er ganz sicher. In seinem kleinen Walddorf brannte es! In seinem kleinen Walddorf schrien Menschen!
    Er trieb seinen Rappen in eine Bachsenke hinab, in der er schon als kleiner Junge gespielt hatte, wenn er der Arbeit auf dem Hof hatte entkommen können. Im Gehölz dort unten band er den Rappen fest. Von hier aus waren es höchstens noch zehn Wegminuten ins Walddorf.
    Er schlich durch das Schneetreiben, arbeitete sich durch das feuchte Unterholz und erreichte endlich den Weingarten über seinem Heimatdorf. Von der obersten Rebstockreihe aus blickte er hinunter, und das Herz wollte ihm stillstehen: Bis auf eine Scheune brannten dort unten sämtliche Häuser des Walddorfes. Auch sein Elternhaus stand in Flammen. War das Wirklichkeit oder ein böser Traum? Der Brand, der Rauch, das Gewimmel dort unten: Alles geschah ja hinter einem Schleier aus Schneeflocken und kam ihm wie ein Fiebertraum vor. Konnte das wahr sein? Soldaten hieben auf Menschen ein, Soldaten trugen Beute aus den brennenden Häusern, Soldaten trieben Vieh zusammen, Soldaten zerrten Frauen und Mädchen in die noch unversehrte Scheune oder zwischen die Bäume am Waldrand. Und überall die jämmerlichen Schreie, das Prasseln der Flammen, das Blöken und Quieken des Viehs.
    Eine kalte Eisenklammer legte sich um Hannes’ Herz.
    »Allmächtiger Gott …!« Er griff nach dem Messer in seinem Gurt, lief los, blieb wieder stehen. Am Dorfrand, direkt unterhalb des Weingartens, standen die Pferde der Soldaten. Zwei Männer in langen dunkelblauen Reitermänteln stapften von der Herde aus durch den schlammigen Boden zum brennenden Dorf. Sie trugen hohe Stiefel aus hellem Leder und mit trichterförmig geweiteten Schäften, in denen Hannes weißes Spitzentuch erkennen konnte. Einem quollen lange schwarze Locken unter seinem schwarzen, weiß gefiederten Hut heraus, der andere hielt eine blaue Standarte in der Rechten. Bayern?
    »Ich muss doch hinunter …« Wie betäubt war Hannes vom Anblick der Flammen und des Rauches. »Ich muss doch meinen Leuten beistehen …« An den Rebstöcken vorbei rannte er weiter den Weingarten hinab. Doch nur ein Stück, dann blieb er wieder stehen. Er trug ja keine Waffe, nur ein Messer, und da unten wüteten Dutzende Bewaffnete. Wie sollte er denn gegen all die kämpfen? Mit Zähnen, Messer und Fingernägeln?
    Eine Frau schrie, wie nur qualvoll Gebärende schrien. Hannes erstarrte. »Allmächtiger …!« Er rannte wieder los, blieb wieder stehen, rannte weiter, blieb stehen. Eine Windböe riss Rauchschwaden und Schneeflockenvorhang auf, und im Schein des brennenden Nachbarhauses sah Hannes die blaue Standarte dort unten einen Atemzug lang so deutlich, dass er das goldene Hirschgeweih auf dem blauen Fahnentuch glänzen sah.
    Der Anblick brannte sich ihm ein wie ein großer Schmerz.
    Sie zog ihn magisch den Weingarten hinunter, die verfluchte Standarte, in geduckter Haltung schlich er an die beiden Männer heran, um ihre Gesichter sehen zu können.
    Was trieb ihn denn? Er wusste es selbst nicht.
    Wieder und wieder duckte er sich hinter die Rebstöcke, beobachtete das grässliche Treiben, sah sich die Brandstifter und Mörder genauer an: Es waren Arkebusiere, jene leicht bewaffnetenKavalleristen also, die man auch Bandelierreiter nannte. Hannes kannte sich aus mit den verschiedenen Abteilungen des kaiserlichen Heeres. Die beiden unter der blauen Hirschstandarte waren ihm am nächsten. Unter ihren dunklen, im Schneetreiben wehenden Mänteln glänzten Brustharnische und Beinschienen. Der hochgewachsene, beinahe dürre Fahnenträger trug eine Sturmhaube, über der ein blau-roter

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