Der geduldige Tod (German Edition)
tatsächlich ein wunderschönes Fleckchen Erde zu sehen. Türkisfarbenes Wasser plätscherte gemächlich an den warmen, weißen Sandstrand, dahinter wuchsen Palmen, blühten Unmengen von Blumen auf sattgrünen Wiesen, die sich auf den steilen Bergen erstreckten. Zedern erhoben sich majestätisch und spendeten Schatten, vereinzelt lagen ein paar Felsbrocken herum, vom Moos bewachsen und teilweise vom Gras überwuchert. Keine Menschenseele war zu sehen.
»Diese Bucht kennt kaum jemand, weil man sie nur vom Wasser aus erreichen kann. Und die meisten wissen nicht, dass hinter dieser unwirtlichen Landzunge solch ein Paradies liegt.«
Francisco hatte den Anker geworfen und die Segel eingeholt. Sie lagen nur wenige Meter vom Strand entfernt.
»So, jetzt gibt’s Frühstück.«
Er hatte reichlich Früchte mitgebracht, eine Thermoskanne Kaffee, Brot und alles, was zu einem ordentlichen Frühstück dazugehörte. Die Kombüse sah aus, als hätte er geplant, mehrere Tage auf See zu verbringen.
»Trinkst du Kaffee?«
»Ja, sehr gern.«
Er reichte ihr die Thermoskanne, während er Teller und Tassen auf ein Tablett stellte und nach oben an Deck brachte.
Victoria stieg hinterher und versuchte, die Kanne zu öffnen. Es gelang ihr nicht. Ihre Hand versagte den Dienst. Immer wieder drehte sie am Verschluss, doch umsonst. Sie besaß zu wenig Kraft in ihren Fingern. Sie begann zu schwitzen.
Francisco war zurück in die Kombüse gegangen, um den Rest zu holen. Als er zurückkehrte, bemerkte er ihre vergeblichen Bemühungen.
Sie versuchte, ihre Ungeschicktheit zu verbergen und nahm die Kanne runter. Dann beugte sie sich über die Reling und deutete auf den Strand. »Sind das dort Schildkröten?«
Tatsächlich lagen runde Objekte im Sand, die die Form von Schildkröten hatten. Doch Francisco lachte.
»Nein, hier gibt es keine Schildkröten. Das sind Steine.« Er sah sie herausfordernd an. »Willst du an Land und dich selbst überzeugen?«
»Kommt denn das Boot so nah ans Ufer ran?«
Er grinste breit. »Nein. Wir müssten schwimmen. Ich hoffe, du hast deinen Badeanzug mitgenommen.«
Erschrocken sah sie zu ihm auf. »Nein, daran habe ich gar nicht gedacht.«
»Das macht nichts. Es geht auch ohne. Hier sieht uns ja keiner«, versuchte er, sie zu beruhigen, wobei das Grinsen nicht aus seinem Gesicht weichen wollte.
Jetzt begriff sie, worauf er anspielte, und verzog den Mund zu einem koketten Lächeln. »So einfach stellst du dir das vor? Ist das die Masche der jungen Spanier heutzutage? Mit der Frau in eine einsame Bucht segeln, sie mit einem schicken Boot beeindrucken und dann zum Nacktbaden überreden? Das ist aber sehr simpel.«
Er lachte, wurde dann aber wieder ernst. »Ich habe dich mit meinem Boot beeindruckt? Dann hat sich der Ausflug ja schon gelohnt, selbst wenn du deine Sachen anbehältst.«
Sie reckte keck ihr Kinn in die Höhe. »Ja, hast du. Und meine Sachen werde ich ganz sicher anbehalten. Aber können wir nun endlich frühstücken?«
»Natürlich. Ich warte nur auf den Kaffee.«
Sie versuchte ein letztes Mal, die Kanne aufzuschrauben, doch er nahm sie ihr sanft aus der Hand und öffnete sie mit einem kräftigen Schwung.
»Der Deckel lässt sich sehr schwer drehen«, behauptete er, damit sie sich nicht schlecht fühlte.
Victoria war es dennoch peinlich, dass er ihre Ungeschicklichkeit bemerkt hatte. Wortlos ließ sie sich auf ein Kissen nieder, das er für sie hingelegt hatte. Wenn sie Glück hatte, nahm er ihr Versagen nicht so ernst. Oder er gehörte zu den Männern, die es genossen, einer schwachen Frau helfen zu können.
Francisco sagte nichts weiter zu dem Vorfall, sondern reichte ihr den Korb mit dem Obst. »Die Birnen, Pfirsiche und Aprikosen sind aus dem Garten meiner Eltern. Den Aprikosenbaum habe ich als Kind selbst gepflanzt.« Genießerisch steckte er sich eine kleine Frucht in den Mund.
Sie beugte sich vor und griff nach einem Pfirsich, wobei erneut ein Ärmel von ihrem Handgelenk rutschte und die rote Narbe sichtbar wurde. Schnell wollte sie den Arm zurückziehen, doch er hielt ihre Hand fest. »Du musst dich nicht schämen, was auch immer dir passiert ist. Ich mag dich trotzdem.« Er kaute noch, als er das sagte, so dass es etwas vernuschelt klang. Dabei strich sein Daumen sanft über die Haut auf ihrem Handrücken.
Sie zog den Mund schief und ließ ihre Hand für einen Augenblick in der seinen, bis sie sie mit sanfter Gewalt zurückholte. Sie wusste nicht, ob sie ihm anvertrauen sollte,
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