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Der gefährliche Traum (German Edition)

Der gefährliche Traum (German Edition)

Titel: Der gefährliche Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Frieser
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Geschichte des Ortes? Max überlegte angestrengt, was sein Vater gesagt hatte. War es auf der rechten oder linken Seite? Er wusste es nicht mehr. Also suchte er die Regale der Reihe nach ab. Die meisten Buchrücken konnte er nicht entziffern. Ihre Goldlettern waren verblasst oder abgegangen. Ehrfürchtig las Max die Titel, deren Bedeutung sich ihm manchmal entzog, weil ihm die Sprache fremd war. Die meisten jedoch hatten gar keinen Titel. Aber bei denen war es egal. Sie waren sowieso viel zu alt. Hastig suchte er die Bücherreihen nach Literatur neueren Datums ab. Er wollte so schnell wie möglich raus hier. Aus irgendeinem Grund fand er die Bibliothek beklemmend. Als er auf dem Rücken eines Buches einen rostbraunen Fleck entdeckte, musste er sogar an Blut denken.
    »Das ist albern, Maximilian!«, ermahnte er sich selbst. »Hier sind nur Bücher. Tausende Bücher und du. Auf jeden Fall nicht der Geist eines früheren Schlossbesitzers, der sich nicht von seinen gedruckten Schätzen trennen kann.«
    Doch schon bereute er den Gedanken. Wie kam er nur immer auf so einen Blödsinn, noch dazu in so unpassenden Situationen.
    »Reiß dich zusammen!«, befahl er sich laut. »Konzentriere dich, dann bist du schneller wieder draußen.«
    Max zwang sich, nicht mehr an Geister zu denken. Stattdessen galt seine ganze Aufmerksamkeit den Büchern. Die Regalreihen waren endlos, und Max war schon kurz davor aufzugeben, als er ein Fach mit neuerer Literatur entdeckte. Erfreut las er Titel wie »Unser Landkreis Main-Spessart«, »Der Bayerische Spessart in alten Ansichten« oder »Die Spessarträuber – Legende und Wirklichkeit«. Die gesuchten Bücher mussten also hier irgendwo stehen.
    Seine Augen wanderten über die Buchrücken, als plötzlich die Stille durch einen lauten Knall durchbrochen wurde. Max zuckte erschrocken zusammen. Ein Buch war aus dem Regal gefallen, ihm direkt vor die Füße. Wie gruselig war das denn? Er hatte doch keines der Bücher angefasst. Verwundert hob Max es auf. Es war schon alt und ganz verstaubt. Als er darüberpustete, flog eine regelrechte Staubwolke auf, die Max husten ließ. Neugierig las er den Titel: »Von den merkwürdigen Begebenheiten Hohensteins«. Das Buch zog ihn vom ersten Augenblick an magisch in seinen Bann. Als hätte nicht er sich das Buch ausgesucht, sondern das Buch ihn. Das Referat hatte er längst vergessen. Er wollte nur noch eines, dieses Buch lesen. Ohne die anderen Bücher noch eines Blickes zu würdigen, stahl er sich davon, das Buch fest umklammert.
    Als Max hinaus ins Freie trat, musste er blinzeln. Das Licht war grell und die Julisonne stach selbst am späten Nachmittag noch erbarmungslos vom Himmel. Obwohl es so heiß und drückend war, stand ihm der Sinn nicht nach daheim herumsitzen. Das Buch kribbelte förmlich in seinen Fingern. Max wollte es lesen, alleine und jetzt sofort. Aber wo? Da fiel ihm die große Buche ein. Er hatte sie heute Nachmittag auf seinem Nachhauseweg von der Schule entdeckt. Sie stand unterhalb des Schlosses abseits der Straße inmitten einer alten Streuobstwiese. In ihrem Schatten konnte man es sich bestimmt gemütlich machen und in aller Ruhe das geheimnisvolle Buch durchblättern.
     
    Der Platz unter der Buche war einfach herrlich. Zum ersten Mal seit seiner Ankunft fühlte sich Max wohl. Alles um ihn herum war so friedlich, wie er es aus Hamburg nicht kannte. In der Stadt war es nie still. Immer waren Autos zu hören. Aber hier war alles anders. Hinter ihm erhob sich eindrucksvoll und auch ein bisschen majestätisch Schloss Hohenstein. Vor ihm lag eine grüne Wiese, in der es nur so flatterte und summte, und noch weiter unten konnte man die roten Dächer des Ortes sehen. Max hing seinen Gedanken nach, beobachtete einen Schmetterling bei seinen tänzelnden Flugübungen, als sein Blick auf den nahen Spessartwald fiel. Dunkel und undurchdringlich wirkte er von Weitem. Max konnte sich gut vorstellen, dass sich darin Räuberbanden versteckt hielten.
    Plötzlich blieb sein Blick an etwas haften. Nicht an den dicht wachsenden Sträuchern und jungen Birkenbäumchen am Waldrand, vielmehr an dem, was sich dazwischen zu bewegen schien, etwas Großes, Schwarzes. Max glaubte sogar zwei leuchtende Augen zu sehen. Ihm wurde kalt. Es war, als legte sich ein Schatten auf seine Seele. Wurde er beobachtet? Aber von wem, oder sollte er besser fragen, von was? So plötzlich wie das beklemmende Gefühl gekommen war, war es auch wieder verschwunden und mit ihm das

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