Der gefährliche Traum (German Edition)
Nähe des
Kalten Steins
«, antwortete Max wahrheitsgemäß und stellte überrascht fest, dass der Bürgermeister plötzlich nervös wirkte.
»Was hattest du dort zu suchen?«, keifte er plötzlich.
Ehe Max antworten konnte, ergriff seine Mutter wieder das Wort. »Das tut hier überhaupt nichts zur Sache. Ihr Sohn ist derjenige, den Sie zur Rede stellen sollten. Nämlich warum er meinen Sohn verprügelt hat.«
»Das ist eine bodenlose Lüge!«, prustete der Bürgermeister. »Julian tut so etwas nicht.«
»Ach ja? Sehen Sie sich meinen Sohn an. Wollen Sie allen Ernstes behaupten, dass wir uns das ausgedacht haben?«
»Wer weiß, mit wem er sich mal wieder geprügelt hat. Und jetzt will er es meinem Sohn in die Schuhe schieben. Auf den hat er es doch sowieso abgesehen. Es war doch Ihr Bengel, der meinem Sohn grundlos ein blaues Auge verpasst hat. Kein Wort würde ich ihm glauben. Julian ist auf jeden Fall sofort nach der Schule nach Hause gekommen.« Das Gesicht des Bürgermeisters war inzwischen rot angelaufen. »Im Übrigen gehört das Waldstück am
Kalten Stein
uns. Halten Sie sich und Ihre Sippschaft in Zukunft davon fern! Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich habe Wichtigeres zu tun, als mir verleumderische Anschuldigungen einer hysterischen Hausfrau anzuhören. Sollten Sie dieses Gerücht verbreiten, werde ich Sie wegen übler Nachrede anzeigen.«
Max’ Mutter schnappte empört nach Luft. »Im Wald gilt immer noch das althergebrachte Wegerecht. Sie können uns den Zutritt gar nicht verwehren. Und die Beleidigungen und Drohungen gegen mich werden Sie noch bereuen. Sie reden nämlich nicht mit einer
hysterischen Hausfrau
, sondern mit einer Journalistin, die gerne im Dreck anderer Leute herumstochert.« Sie machte auf dem Absatz kehrt und schritt Richtung Ausgang. »Komm, wir gehen!«
Peng!, dachte Max. Der Hieb hatte gesessen. Das Gesicht des Bürgermeisters drückte Wut und Panik zugleich aus. Seine Mutter hatte einen Sieg auf ganzer Linie davongetragen.
Als Max die Haustür hinter sich schloss, sah er Julian. Er stand oben auf der Treppe. Seine giftigen Blicke schienen Max zu durchbohren. Anscheinend hatte er das ganze Gespräch belauscht. Mit zusammengekniffenen Augen deutete er auf Max, ballte die Hand zu einer Faust und zeigte mit seinem Daumen nach unten. Julian würde ihm von nun an in der Schule die Hölle auf Erden bereiten.
Auf dem Heimweg im Auto schimpfte seine Mutter unentwegt vor sich hin. Sie war entrüstet, dass überhaupt jemand einen so eingebildeten Fatzke wählte. Max dagegen hing seinen eigenen Gedanken nach. Warum hatte der Bürgermeister so merkwürdig reagiert, als der Wald erwähnt wurde? Bis zu diesem Stichwort hatte er sich die Klage seiner Mutter mit absolut hochmütiger Miene angehört, dann aber wirkte er verunsichert. Außerdem beschäftigte Max das Gemälde. Irgendetwas Wichtiges hatte er gesehen, nur was?
Als Max an diesem Abend im Bett lag, tat ihm alles weh. Er spürte jeden Tritt, den er im Keller hatte einstecken müssen. Seine Wut auf Julian stieg mit jeder schmerzhaften Bewegung. Diese miese Kröte! Der Teufel sollte ihn holen! So konnte das nicht weitergehen. Er musste Julian auf Abstand halten. Leider hatte der Auftritt seiner Mutter heute Abend nicht gerade zu einem harmonischeren Verhältnis beigetragen. Wenn er nur größer und stärker wäre als dieser Julian oder seine Freunde aus Hamburg hier wären, dann würde er es ihm heimzahlen. Die Vorstellung gefiel Max und er schlief schmunzelnd ein.
Der fünfte Traum
E rneut befand sich Max in dem Städtchen Hohenstein. Andreas saß am Brunnen auf dem Marktplatz und beobachtete aus der Ferne das Anwesen des Amtmanns. Sein Hund war wie immer bei ihm. Und wie immer redete Andreas mit ihm wie mit einem Freund.
»Hast du gehört, was die Leute sich erzählen? Der Amtmann hat sich bereit erklärt, persönlich die Geldübergabe durchzuführen. Aber warum bloß? Es soll doch gar keine Übergabe stattfinden. Hat er dem Baron denn nicht erzählt, dass er seine Tochter auch ohne Lösegeld zurückbekommt? Ich verstehe das nicht.«
Andreas stand auf und ging zum Haus des Amtmanns hinüber. Nachdem er geklopft hatte, öffnete derselbe Diener wie am gestrigen Tag.
»Ich habe die Anweisung, dich Lügner nicht mehr einzulassen. Verschwinde!«, polterte er und schlug dem Jungen die Tür vor der Nase zu.
»He! Was soll das? Ich muss den Amtmann sprechen!«, rief Andreas verzweifelt, doch niemand öffnete mehr.
Was war
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