Der gefährliche Traum (German Edition)
hier los?, fragte sich Max überrascht. Irgendetwas stimmt da nicht.
Nur wenige Minuten später wurde die Sache noch merkwürdiger. Ohne seine Soldaten mitzunehmen, bestieg der Amtmann sein Pferd und ritt davon. Wollte er das Mädchen alleine befreien?
Andreas rannte, so schnell er konnte, dem Reiter hinterher. Er war flink wie ein Wiesel, im Gegensatz zu Max. Noch ehe sie aus dem Ort draußen waren, hatte Andreas ihn abgehängt. Völlig außer Puste und mit höllischem Seitenstechen blieb Max am Stadttor stehen und blickte dem Jungen und seinem Hund hinterher. Von dem Reiter war nur noch eine Staubwolke zu sehen.
Dann befand sich Max plötzlich mitten in einem Getreidefeld unter einer uralten Buche, deren dichtes Blätterdach die Sonnenstrahlen abschirmte. Hinter dem mächtigen Baumstamm stand Andreas und beobachtete etwas. Bei ihm war sein Hund.
Max’ Blick folgte dem des Jungen. Vor ihnen lag das Schloss, aber nicht wie heute mit moderner Zufahrt und Parkplatz davor, sondern mit tiefem Graben und Zugbrücke, die soeben heruntergelassen wurde. Der Amtmann trat heraus und führte sein Pferd an den Zügeln. Ein anderer fein gekleideter Mann begleitete ihn.
»Ich werde für Euch beten, Dauber! Bringt mir meine Tochter heil wieder und ich werde Euch reichlich belohnen.«
Dann stieg der Amtmann auf sein Pferd. »Um Euer Geld geht es mir nicht. Allein das Wohlergehen Eurer Tochter ist mir wichtig, Baron Hohenstein. Ihr könnt auf mich zählen. Ich werde wie besprochen alles in meiner Macht Stehende tun, um die Baroness wohlbehalten nach Hause zu bringen.«
Mit diesen edlen Worten gab er seinem Pferd die Sporen und ritt davon.
Sofort sprang Andreas auf und folgte ihm erneut flink und lautlos, wobei er in der Deckung der hoch gewachsenen Getreidehalme blieb und niemals den Weg benutzte. Max hatte diesmal noch mehr Mühe, mitzuhalten, vor allem im Wald, wo immer wieder umgestürzte Bäume den Weg durchs Unterholz versperrten. Als er schon aufgeben wollte, blieb der Amtmann plötzlich stehen und sah sich um. Blitzschnell ging Andreas hinter einem Baum in Deckung.
Was hatte der Amtmann vor? Gespannt beobachtete Max, wie der Reiter vom Pferd stieg und einen Beutel voller Münzen aus der Satteltasche holte. Dann ging er auf einen Steinhaufen zu, räumte ein paar größere Steine auf die Seite, legte den Beutel hinein und die Steine wieder darüber. Nichts deutete darauf hin, dass darunter Geld verborgen war.
Warum versteckt er das Geld?, wunderte sich Max. Doch was nun folgte, ließ ihn noch mehr stutzen.
Der Amtmann zerriss zuerst sein kostbares Hemd, dann rieb er sich mit Erde ein. Als er mit dem Ergebnis zufrieden war, zog er seinen Dolch und schnitt sich in die Hand. Das Blut verteilte er ebenfalls im Gesicht und an den Armen. Zuletzt raufte er sich die Haare. Aus dem Amtmann war ein geschundener und verletzter Mann geworden.
Doch das Theater war noch nicht beendet, denn nun gab der Amtmann seinem Pferd einen kräftigen Klaps auf das Hinterteil, dass es wiehernd davonjagte. Dann bückte er sich erneut, hob einen kräftigen Ast auf und humpelte Richtung Stadt.
Schon von Weitem rief der Amtmann die Stadtwachen.
»Helft mir! So helft doch!« Als wäre er völlig entkräftet, blieb er immer wieder in gebückter Haltung stehen, dann schleppte er sich theatralisch weiter. Das Schauspiel war oscarreif.
Die Wachen liefen sofort bestürzt zu ihm. Auch die Bewohner Hohensteins hatten die Aufführung mitbekommen. Dafür hatte der Amtmann schon gesorgt und laut genug gerufen. Binnen weniger Sekunden war er von einer neugierigen Menschenmenge umringt.
Andreas drängelte sich durch das Publikum, um zu verstehen, was hier vor sich ging. Max blieb dicht hinter ihm.
»Die Räuber!«, klagte Dauber. »Sie haben mich überfallen, aber das Mädchen nicht herausgegeben.«
Die Menge reagierte bestürzt.
»Sie haben mich brutal niedergeschlagen. Ich habe mich ohnmächtig gestellt und so ließen sie von mir ab. Danach bin ich ihnen heimlich gefolgt. Ich kenne jetzt ihr Versteck.«
Wieder ging ein Raunen durch die Menge.
»Wachen, bringt mir ein Pferd und meine Männer! Wir dürfen keine Zeit verlieren«, rief er und erntete dafür einen Jubel, der nur Helden zuteilwurde. Denn trotz seiner scheinbar schweren Verletzungen war er bereit, erneut in den Kampf zu ziehen.
Aber da rief Andreas, so laut er konnte: »Ihr seid ein Lügner!« Sein Gesicht war rot angelaufen und seine Hände zu Fäusten geballt. Die Blicke waren alle
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