Der Gefährte des Wolfes: Tristan (German Edition)
davon ab, die Zeit mit seinem Sohn zu genießen.
Er hatte Christine gefragt, ob sie nicht mit Charles dorthin gehen konnte, aber der Fünfjährige war noch nicht alt genug, um unter der Woche zu gehen, da er am nächsten Tag in die Vorschule musste. Am Wochenende hatte Christine ein Bridge-Turnier. Benjamin wollte seinen Sohn jedoch nicht enttäuschen und hatte sich schließlich dafür entschieden, doch mit ihm hinzugehen und das Beste daraus zu machen.
Ein Teenager-Pärchen, das nach Sex und billigem Bier roch, drängelte sich kichernd an Benjamin vorbei. Er nahm die beiden Corn-Dogs und die Getränkdose von der Theke und wandte sich zur Seite, um einen der Spieße an seinen Sohn weiterzureichen.
Der Fünfjährige war verschwunden. Panik stieg in ihm auf und sein Wolf begann sich dicht unter der Oberfläche zu regen. Seine Blicke glitten auf der Suche nach einem blonden Haarschopf und einer orange-blauen Windjacke über die Menge und blieben kurz an jedem Kind hängen, das ungefähr die richtige Größe hatte.
Er reckte die Nase in die Luft und witterte, obwohl er wusste, dass es sinnlos war. Den natürlichen Instinkt, nach dem Geruch seines Nachwuchses zu suchen, konnte er einfach nicht abstellen. Er warf das gerade erst gekaufte Essen in den nächsten Mülleimer und stürzte in die Menge, wobei er versuchte sich vorzustellen, welchen Weg ein neugieriges Kind am wahrscheinlichsten genommen haben könnte.
Ohne auf die vielen Leute zu achten, die er unsanft zur Seite schob, rannte Benjamin durch das Labyrinth aus Spielbuden, Fahrgeschäften und Imbissständen, lief Gang um Gang entlang und rief nach seinem Sohn, obwohl die schrille Geräuschkulisse seine Stimme verschluckte.
Als er einem Mann mit einer offiziell aussehenden, roten Weste begegnete, bat Benjamin ihn sofort um Hilfe und gab ihm eine detaillierte Beschreibung von Charles und dem Ort, an dem er ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Der Mann schnappte sich das Funkgerät, das an seiner Schulter befestigt war, und leitete die Informationen zügig weiter.
»Wir haben alle Ausgänge informiert. Niemand wird den Rummel mit einem Kind verlassen, das Charles’ Beschreibung entspricht.«
Die Nackenhaare von Benjamins Wolf stellten sich auf und ihm wurde so übel, dass er die Galle schon im Mund schmecken konnte. Ihm war überhaupt nicht in den Sinn gekommen, dass jemand Charles entführt haben könnte. In dem Versuch, ihn zu beruhigen, legte ihm der Sicherheitsbeamte eine Hand auf die Schulter und führte ihn in Richtung der Sicherheitsstation.
Benjamin stemmte jedoch die Fersen in den Boden und schüttelte die Hand ab. Der Mann wollte ihn daran hindern, nach seinem Sohn zu suchen. Sein Wolf stand kurz davor, sich zu befreien, aber Benjamin brachte ihn mit aller Kraft wieder unter Kontrolle und bedankte sich bei dem Sicherheitsbeamten. Gleichzeitig machte er ihm aber auch klar, dass er nicht einfach nur herumsitzen konnte, während andere nach seinem Jungen suchten.
Der Angestellte schien es zu verstehen. Allerdings fügte er hinzu, dass es einfacher war, ein verschwundenes Kind und sein Elternteil zu vereinen, wenn einer der beiden an einem festen Ort blieb. Benjamin versprach, sich alle paar Minuten zu melden und die Sicherheitsbeamten sofort zu informieren, falls er Charles als Erster finden sollte.
Da er kurz davor war, seine ohnehin schon wacklige Kontrolle über den Wolf zu verlieren, dankte er dem Mann ein letztes Mal und tauchte erneut in der Menge unter. Dieses Mal ließ er den Instinkten des Wolfs bewusst freien Lauf und folgte ihnen einfach.
Er entfernte sich von den lauten, schrillen Geräuschen des Zentrums, als ihm der intensive Geruch von Heu und Tieren in die Nase stieg. Charles liebte Tiere. Er beschleunigte seine Schritte.
Unvermittelt fuhr Benjamin aus dem Schlaf hoch. Etwas war nicht in Ordnung. Er hatte ihn verloren... Seinen Wolf.
Benjamin atmete tief durch und versuchte, sein hämmerndes Herz zu beruhigen. Charles ging es gut. Damals, vor fast sechs Jahren, hatte er ihn beim Ziegenfüttern im Streichelzoo gefunden. Sein Wolf war es, der verschwunden war, und obwohl er in Tristans Armen lag, die ihn beschützend hielten, fühlte er die eisige Kälte der Einsamkeit.
Tristan spürte, wie Benjamin sich in seinen Armen versteifte. Er lag schon beinahe eine Stunde wach, ging im Geist noch einmal jedes einzelne Wort des Zaubers durch und zerbrach sich den Kopf darüber, an welchem Punkt er es vermasselt hatte.
Es war nicht das erste
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