Der Gefährte des Wolfes: Tristan (German Edition)
daran erinnerte, wie Benjamins Wolf ihn beinahe angegriffen hatte. Obwohl Benjamin sich ausgiebig bei ihm entschuldigt hatte, hatte Josh sich seitdem immer von Tristan ferngehalten, wenn Benjamin in der Nähe gewesen war.
Er schob seinen Stuhl zurück und bot Tristan seinen Platz an, während er sich ein wenig zurückzog, um das Gespräch unbemerkt aus größerer Entfernung weiterzuverfolgen.
Das erste Mal, seitdem er angestellt worden war, wurde völlig offen vor ihm gesprochen und er war neugierig. Er wollte nicht bemerkt und im schlimmsten Fall weggeschickt werden.
Mary schüttelte den Kopf und blickte hilfesuchend zu Conrad rüber. »Mit dem Rudel ist nicht gut Kirschenessen. Du solltest dich lieber von ihnen fernhalten. Benjamin würde...«
»Mary«, unterbrach Tristan sie. »Benjamin geht es immer schlechter. Dass der Fluch gebrochen wurde, hilft ihm nicht. Er braucht seinen Wolf. Ich muss mit jemandem reden, der sich besser mit Lykanthropie auskennt als ich.«
»Master Benjamin würde das nicht...«, begann Conrad.
»Es ist mir egal, was er vielleicht wollen würde! Wir haben jetzt keine Zeit, um Rücksicht auf seinen Beschützerinstinkt zu nehmen. Wir müssen jetzt an ihn denken. Ich weiß über die Vorurteile des Rudels Bescheid, Benjamin hat mir davon erzählt. Aber ich kann ihn nicht verlieren. Ich werde ihn nicht verlieren!« Tristan machte den Mund wieder zu und blickte entschlossen zwischen Mary und Conrad hin und her.
Mary schob sich eine graue Strähne, die aus ihrem Haarknoten gerutscht war, aus dem Gesicht und schüttelte den Kopf. Sie konnte Tristan nicht in die Augen sehen. Auch Conrads Gesicht wurde zu einer harten Maske.
»Sie kennen sie nicht so wie wir«, erklärte der Butler. »Sie werden Ihnen nicht helfen. Benjamins Tod wäre für das Rudel ein Grund zum Feiern.«
»Raul würde vielleicht helfen, er...«, begann Mary, doch Conrads strenger Blick brachte sie zum Schweigen.
Tristan machte sich eine geistige Notiz, als der Name eines möglichen Verbündeten fiel. »Sie sind vielleicht unsere einzige Hoffnung«, argumentierte er, während die Apfeltaschen vor ihm langsam kalt wurden und bis auf einen einzigen Bissen unberührt blieben. »Wenn wir nicht nachfragen, werden wir es nie erfahren.«
»Wir wissen es«, erklärte Conrad mit Bestimmtheit.
»Ihr vielleicht, aber ich nicht! Und ich weigere mich, abzuwarten und dabei zuzusehen, wie Benjamin immer schwächer wird!«, fauchte Tristan, sprang auf die Füße und stürmte zur Hintertür hinaus. Wenn Conrad und Mary ihm nicht helfen wollten, würde er das Rudel eben allein finden.
Während er auf den Obstgarten zumarschierte, atmete er tief durch, um sich zu beruhigen. Er konnte die Kräfte spüren, die wie elektrische Strömungen zwischen ihm und den Bäumen hin und her pulsierten. Er musste Ruhe finden, sonst konnte er nicht nachdenken. Wie fand man eine Gruppe Lykanthropen, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, jahrhundertelang unerkannt zu bleiben?
Als eine Stimme zu seiner Linken erklang, fuhr er erschrocken zusammen.
»Ich kann dich hinbringen.«
Tristan fuhr herum. Er hatte nicht bemerkt, dass er nicht allein war.
Josh trat hinter einem Baum hervor. »Ich kann dich zum Rudel führen, wenn wir Master Benjamin dadurch retten können.«
Tristan hatte den Stallburschen nicht mehr gesehen, seit er ihm seinen Platz angeboten hatte. Als der Streit begonnen hatte, war er offenbar unbemerkt aus der Küche geschlüpft.
»Du weißt, wo sich das Rudel aufhält?«
Josh nickte. »Heute Nacht haben wir Dreiviertelmond. Da treffen sie sich an ihrem Versammlungsort, um alles, was aktuell wichtig ist, zu regeln und um den Göttern zu huldigen. Wenn wir bei Sonnenuntergang aufbrechen, könnten wir bei den Wächtern sein, wenn es dunkel ist. Sie werden uns dann eskortieren.«
»Die Wächter?«
»Ein Teil des Rudels, der die Grenzen beschützt und dafür sorgt, dass ihre Gesetze eingehalten werden. So etwas wie die Polizei für Werwölfe. Ich hab‘ eine Cousine, die ins Rudel eingeheiratet hat. Ich war sogar bei ihrer Hochzeitszeremonie dabei. Und ich glaube, dass ich mich noch gut genug ans Protokoll erinnere, damit die Wächter uns nicht gleich umbringen, wenn wir um eine Audienz beim Rajan bitten«, erklärte der junge Mann.
»Na, das klingt ja vielversprechend...«, murmelte Tristan. »Glaubst du, dass die beiden recht haben?«, fragte er mit einem Kopfnicken in Richtung Haus.
»Höchstwahrscheinlich«, gab Josh zu. »Das Rudel
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