Der Gefangene
1994 eine eingehende Untersuchung durch. Sie stieß auf zahlreiche Verstöße gegen internationale Normen, darunter auch von den Vereinigten Staaten unterzeichnete Abkommen und Mindeststandards der Vereinten Nationen. Unter anderem waren die Zellen zu klein, unzureichend ausgestattet, unbeleuchtet, unbelüftet, fensterlos und ohne Zugang zu natürlichem Licht. Erwartungsgemäß wurden die Gefängnishöfe als einengend und zu klein befunden. Viele Gefangene verzichteten auf die tägliche Stunde im Hof, damit sie die Zelle einmal für sich allein hatten. Bis auf einen Kurs zum Erwerb eines Highschoolabschlusses gab es keine Bildungsprogramme. Arbeiten durften die Gefangenen auch nicht. Religiöse Betätigung war nur eingeschränkt möglich. Die Isolierung der einzelnen Gefangenen war zu strikt. Die Nahrungsmittelversorgung musste gründlich überprüft werden. Amnesty International kam zu dem Schluss, dass die Lebensbedingungen im H-Trakt grausam, unmenschlich und entwürdigend waren und damit gegen internationale Standards verstießen. Diese Umstände konnten sich, wenn sie »über einen längeren Zeitraum hinweg andauerten, schädigend auf die körperliche und geistige Gesundheit der Gefangenen auswirken«.
Der Bericht wurde veröffentlicht, aber die Empfehlungen darin waren für das Gefängnis nicht bindend. Allerdings lieferte er Stoff für von den Gefangenen angestrengte Verfahren.
Nach einer dreijährigen Unterbrechung kam die Todesmaschinerie wieder in Fahrt. Am 20. März 1995 wurde Thomas Grasso, ein zweiunddreißigjähriger Weißer, nach nur zwei Jahren in der Todeszelle hingerichtet. Gegen alle Widerstände war es Grasso gelungen, seine Revisionsanträge zurückzuziehen und die Sache hinter sich zu bringen. Der Nächste war Roger Dale Stafford, der berüchtigte Steakhaus-Mörder. Es war eine der denkwürdigeren Hinrichtungen. Massenmorde in den Metropolen des Landes zogen die Presse an, und Stafford verließ diese Welt unter großem Trara. Er hatte fünfzehn Jahre lang in der Todeszelle gesessen, und sein Fall wurde von Polizei, Staatsanwaltschaft und vor allem von politischen Kräften als Musterbeispiel für die Irrungen des Revisionsverfahrens hingestellt.
Am 11. August 1995 fand eine bizarre Hinrichtung statt. Robert Brecheen, ein vierzigjähriger Weißer, schaffte es kaum bis zur Exekution. Am Tag zuvor hatte er eine Handvoll Schmerzmittel geschluckt, die er irgendwie ins Gefängnis geschmuggelt und gehortet hatte. Mit seinem Selbstmordversuch wollte er dem Staat eine lange Nase drehen, aber der Staat war stärker. Die Wärter, die den Bewusstlosen gefunden hatten, ließen ihn in aller Eile ins Krankenhaus schaffen, wo ihm der Magen ausgepumpt wurde. Nachdem sich sein Zustand einigermaßen stabilisiert hatte, wurde er in den H-Trakt zurückgeschafft, wo er ordnungsgemäß hingerichtet wurde.
Richter Seay ließ seine Leute jeden einzelnen Aspekt des Williamson-Falls genauestens prüfen. Sie saßen über den Mitschriften der Voruntersuchungen und aller anderen Gerichtstermine. Sie katalogisierten Rons umfangreiche medizinische Berichte. Sie studierten die Polizeiakten und die Gutachten des OSBI.
Vicky Hildebrand, Jim Payne und Gail Seward teilten sich die Arbeit. Es wurde ein Teamprojekt voll kreativer Ideen und Enthusiasmus. Der Prozess stank zum Himmel. Es handelte sich eindeutig um einen Justizirrtum, und sie wollten den Fehler korrigieren.
Richter Seay hatte sich noch nie auf Haaranalysen verlassen. Einmal war er Vorsitzender Richter in einer Verhandlung an einem Bundesgericht gewesen, bei der dem Angeklagten die Todesstrafe drohte. Starzeuge sollte der führende Haarexperte des FBI sein. Seine Qualifikation war über jeden Zweifel erhaben, und er war viele Male als Gutachter hinzugezogen worden, aber davon ließ sich Richter Seay nicht beeindrucken. Der Sachverständige wurde nach Hause geschickt, ohne auszusagen. Vicky Hildebrand erklärte sich bereit, die Recherchen zur Haaranalyse zu übernehmen. Monatelang hatte sie über Dutzende von Prozessen und Untersuchungen nachgelesen und war zu dem Schluss gelangt, dass es sich um eine reine Pseudowissenschaft handelte. Das Verfahren war so unzuverlässig, dass es nie vor Gericht hätte verwendet werden dürfen - ein Schluss, zu dem Richter Seay schon lange vor ihr gekommen war. Gail Seward konzentrierte sich auf Barney Ward und die Fehler, die ihm in der Verhandlung unterlaufen waren. Jim Payne kümmerte sich um die sich aus dem Grundsatzurteil Brady
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