Der Gefangene
gegen Maryland ergebenden Fragen. Monatelang arbeitete das Team an kaum etwas anderem. Der Fall Williamson wurde nur zurückgestellt, wenn besonders dringliche Angelegenheiten anstanden. Sie hatten keinen festen Termin für ihre Arbeit, aber Richter Seay duldete keine Trödelei. Sie schufteten Nächte und Wochenenden durch. Sie lasen und redigierten ihre Texte gegenseitig. Während sie sich durch eine Schicht nach der anderen wühlten, stießen sie auf immer neue Fehler. Je mehr Verfahrensfehler sie fanden, desto größer wurde ihr Enthusiasmus. Jim Payne traf sich täglich zu Besprechungen mit Richter Seay, der, wie zu erwarten, selbst zahlreiche Anmerkungen vornahm. Er las die ersten Entwürfe des Teams, redigierte sie und schickte sie zur Überarbeitung zurück.
Als sich herauskristallisierte, dass das Verfahren wieder aufgenommen werden würde, fing Richter Seay an, sich Sorgen zu machen. Barney war ein langjähriger Freund von ihm, ein altes Schlachtross, das seine besten Tage hinter sich hatte. Die Kritik würde ihn zutiefst treffen. Wie würde Ada darauf reagieren, dass sich ein früherer Richter der Stadt auf die Seite des berüchtigten Mörders Ron Williamson schlug?
Das Team wusste, dass seine Arbeit von der nächsten Instanz, dem Bundesrevisionsgericht, unter die Lupe genommen werden würde. Was, wenn die Wiederaufnahme abgelehnt wurde? Waren sie selbst wirklich von ihrer Sache überzeugt? Konnten sie so schlagkräftig argumentieren, dass ihnen das Bundesrevisionsgericht folgen würde?
Fast ein Jahr lang schuftete das Team unter Leitung von Richter Seay. Am 19. September 1995, ein Jahr nach der Aussetzung der Hinrichtung, ordnete er die Haftprüfung und die Wiederaufnahme des Verfahrens an.
Die Entscheidungsgründe wurden auf einhundert Seiten erschöpfend dargelegt. Es handelte sich um ein Meisterwerk juristischer Analyse und Argumentation. In deutlicher, wenn auch höchsten Ansprüchen genügender Ausdrucksweise erklärte Richter Seay, was er von Barney Ward, Bill Peterson, dem Ada Police Department und dem OSBI hielt. Bei Richter Jones nahm er sich zurück, er ließ aber kaum Zweifel an seiner Meinung zu dessen unglückseliger Rolle in dem Verfahren.
Ron hatte aus vielerlei Gründen Anspruch auf einen neuen Prozess, besonders aber wegen des völligen Versagens seines Anwalts. Barney waren zahlreiche Fehler mit katastrophalen Folgen unterlaufen. So hatte er nicht auf die Schuldunfähigkeit seines Mandanten hingewiesen, keinerlei Beweise gegen Glen Gore gesammelt und vorgelegt, nicht ausreichend verdeutlicht, dass Terri Holland auch gegen Karl Fontenot und Tommy Ward ausgesagt hatte, die Geschworenen nicht davon unterrichtet, dass Ricky Joe Simmons den Mord gestanden hatte, und zwar auf einem Video, das sich in Barneys Besitz befand, Rons Geständnisse nicht vor der Verhandlung als unzulässig ausschließen lassen und bei der Bestimmung des Strafmaßes keine Entlastungszeugen präsentiert.
Bill Peterson und der Polizei wurde vorgeworfen, das Video von Rons zweitem Lügendetektortest im Jahre 1983 zurückgehalten zu haben, Geständnisse verwendet zu haben, die durch zweifelhafte Mittel erpresst worden waren, wie zum Beispiel Rons Traum-Geständnis, Gefängnisspitzel als Zeugen aufgeboten zu haben, die auch noch beeidigt worden waren, praktisch keine materiellen Beweise vorgelegt und entlastendes Beweismaterial zurückgehalten zu haben.
Richter Seay analysierte die Geschichte der Haaranalyse und kam zu dem drastischen Schluss, dass dieser grundsätzlich vor Gericht nicht mehr zugelassen werden dürfe. Er kritisierte die Sachverständigen des OSBI für den fehlerhaften Umgang mit den Proben in den Verfahren gegen Fritz und Williamson.
Bill Peterson, Richter Jones und Richter John David Miller wurde vorgeworfen, dass sie das Verfahren nicht unterbrochen hatten, um Ron auf seine Schuldfähigkeit untersuchen zu lassen.
Richter Jones hätte niemals nach Ende des Verfahrens eine Brady-Anhörung ansetzen dürfen. Dass er Barneys Antrag auf einen forensischen Gutachter abgelehnt hatte, der die Aussage der OSBI-Leute widerlegen sollte, war an sich schon ein Verfahrensfehler. Mit chirurgischer Präzision zerlegte Richter Seay jeden einzelnen Aspekt des Verfahrens, bis klar wurde, welche Farce Rons Verurteilung gewesen war. Im Gegensatz zum Revisionsgericht von Oklahoma für Strafsachen, das die Sache immerhin zweimal untersucht hatte, sah Richter Seay ein Fehlurteil und stellte alles infrage.
Am Ende stand
Weitere Kostenlose Bücher