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Der Gefangene

Titel: Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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gewesen seien. Die beiden - er nannte Smith ihre Namen - hätten ihm später erzählt, dass Tommy Ward dabei gewesen sei. Irgendwann am Abend sei ihnen der Alkohol ausgegangen. Ward habe angeboten, Bier holen zu fahren. Da er selbst kein Auto besaß, lieh er sich den Pick-up einer gewissen Janette Roberts. Ward sei allein losgefahren und für ein paar Stunden weg gewesen. Als er mit dem Bier zurückgekommen sei, sei er verstört gewesen und habe geweint. Auf die Frage, warum er weine, habe er geantwortet, er habe etwas Schreckliches getan. Was?, wollten die Partygänger wissen. Nun, aus irgendeinem Grund sei er bis nach Ada zurückgefahren, vorbei an zahlreichen Getränkeläden, bis er östlich der Stadt bei McAnally's gelandet sei. Dort habe er die junge Angestellte gekidnappt, vergewaltigt und getötet, ihre Leiche fortgeschafft, und jetzt fühle er sich grauenvoll deswegen.
    Dass er all das vor einer bunt zusammengewürfelten Truppe aus Kampftrinkern und Doperauchern bekannt haben sollte, verwunderte bei der Polizei offenbar niemanden. Miller nannte keinen Grund, warum die beiden Frauen ihm das alles erzählt hatten und nicht der Polizei. Und warum sie damit fünf Monate gewartet hatten, konnte er auch nicht erklären.
    So absurd die Geschichte war, Dennis Smith ging ihr sofort nach. Zunächst machte er sich auf die Suche nach den beiden Frauen, die von Ada weggezogen waren. (Als er sie einen Monat später endlich fand, bestritten sie, bei der Party gewesen zu sein und Tommy Ward dort oder bei irgendeiner anderen Party gesehen zu haben. Sie bestritten sogar, jemals von einer jungen Ladenangestellten oder einer anderen jungen Frau gehört zu haben, die entführt und getötet worden war. Kurzum - sie bestritten Jeff Millers Geschichte von Anfang bis Ende.)
    Dennis Smith machte auch Janette Rogers ausfindig. Sie lebte mit ihrem Mann Mike Roberts in Norman, hundertzehn Kilometer entfernt. Am 12. Oktober fuhr Smith zusammen mit Detective Mike Baskin unangekündigt zu ihr. Die Polizeibeamten forderten sie auf, mit ins Police Department zu kommen, um ein paar Fragen zu beantworten, was sie widerstrebend tat. Während der Befragung räumte Janette ein, dass sie, Mike, Tommy Ward, Karl Fontenot und viele andere oft am Blue River Partys feierten. Sie sei sich aber ziemlich sicher, dass sie an dem Samstagabend, als Denice Haraway verschwand, nicht dort gewesen seien. Sie leihe Tommy Ward zwar öfter ihren Pick-up, er sei aber noch nie damit von einer Party am Fluss (oder von einem anderen Ort) weggefahren. Sie habe ihn außerdem niemals in Tränen aufgelöst gesehen oder erregt über eine Vergewaltigung und einen Mord an einer jungen Frau berichten gehört. Nein, Sir, niemals. Da war sie ziemlich sicher.
    Die Polizeibeamten waren freudig überrascht über die Auskunft, dass Tommy Ward bei den Roberts' wohnte und mit Mike zusammen arbeitete. Die beiden Männer waren bei einer Fassadenbaufirma beschäftigt und arbeiteten meist sehr lange, von Sonnenaufgang bis Einbruch der Dunkelheit. Smith und Baskin beschlossen, in Norman zu bleiben, bis Ward von der Arbeit käme, und ihm dann ein paar Fragen zu stellen.
    Tommy und Mike hatten auf dem Heimweg gehalten, um sich ein, zwei Bier zu genehmigen. Das war der eine Grund, warum sie nicht mit den Cops reden wollten. Der andere, ausschlaggebende war, dass Tommy die Polizei nicht ausstehen konnte. Es widerstrebte ihm zutiefst, die Polizeidirektion in Norman zu betreten. Er war vor Monaten schon in Ada zu dem Mord vernommen worden und hatte gedacht, der Fall wäre längst abgeschlossen. Dass er von Ada weggezogen war, lag unter anderem daran, dass die Leute dort ständig darüber geredet hatten, wie sehr er dem einen der beiden Phantombilder ähnlich sehe, und das war ihm zu viel geworden.
    Er hatte sich die Zeichnung mehr als einmal angesehen und nicht die geringste Ähnlichkeit entdeckt. Es war nur die Skizze eines Polizeizeichners, der den Verdächtigen nie selbst gesehen hatte und auch nie zu Gesicht bekommen würde. Doch die Leute in der Stadt waren ganz wild darauf, das Konterfei jemandem aus Ada zuzuordnen. Alle wollten der Polizei helfen, das Verbrechen aufzuklären. Ada war eine Kleinstadt, das Verschwinden der jungen Frau eine Sensation. Irgendwann hatte jeder von Tommys Bekannten einen Tipp abgeben, wen er für verdächtig hielt. Tommy war in den zurückliegenden Jahren in Ada mehrmals mit der Polizei in Berührung gekommen. Es war nie um schwere Delikte oder Gewalt gegangen.

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