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Der gefrorene Rabbi

Der gefrorene Rabbi

Titel: Der gefrorene Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Stern
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eigenen Kollegen, unter anderem Lulki, die Niete, tatenlos zu und schlossen Wetten ab. Der Vorfall führte dazu, dass mich Waxeys Jungs gelegentlich »ausborgten«, damit ich ihnen bei gefährlicheren Unternehmungen half. Das Ganze war natürlich überflüssig, denn es herrschte kein Mangel an geeigneten Schlägern. Aber es war klar, dass mich Dago und seine Kompanie respektierten nach der Abreibung, die ich ihnen verpasst hatte, und meine Rekrutierung bedeutete die Einführung in höhere kriminelle Sphären.
    Meine Treue galt jedoch weiter Naf und seiner Crew, weil sie mich vor dem gewöhnlichen Leben gerettet hatten; und ich hatte auch keinen Ehrgeiz, eine Karriereleiter zu erklimmen, die nur zu einer Karikatur des Gewöhnlichen führte. Mir gefiel unser unbedeutender Status in der Unterwelt. Sollte Maxeys Clique doch ihren Hotsy-Totsy Club und ihren Dempsey gegen Firpo im Madison Square Garden haben, wir hatten Battling Levinsky im Roumanian Opera House, der sich schon in den ersten fünf Sekunden der ersten Runde auf die Bretter legte. Sie hatten das Aqueduct und die Belmont Stakes, aber wir hatten die Kasinos im Hesper Club an der Second Avenue und das Sans Souci an der Broome Street, die sich bei der leisesten Razziagefahr sofort in Strickpartys verwandeln konnten. Unsere Wettlisten hingen in allen Billard-und Stoßsalons, wo man nur den Scherzer erwähnen musste, um Kredit zu bekommen; wir hatten die liederlichen Häuser, die von Madame Mildred, der Matratze und Madame Sadie, der Spalte geführt wurden.
    Trotzdem müsste ich lügen, würde ich nicht zugeben, dass es mir Spaß machte, zusammen mit Dago Cohen und seinem Haufen die Welt jenseits der Houston Street kennenzulernen. Dank ihrer Mithilfe reiste ich bis hinauf nach Saratoga, eine wichtige Station an der nordöstlichen Fuselroute und eine gesetzlose, völlig dem Laster ergebene Stadt. Ich saß mit der Knarre in den Konvois aus Kanada, die den mit Schiffen aus England und Frankreich auf den Maritime-Inseln abgeladenen Schnaps transportierten. Unterwegs verteilten wir Schweigegeld, zuerst an die Küstenwache, dann an die Cops von Suffolk County bis hinunter zur Stadt. Normalerweise wurden wir an Countygrenzen unbehelligt durchgewinkt, doch einmal stießen wir auf einige makellose State Trooper, die sich nicht kaufen ließen. Bei der anschließenden Verfolgungsjagd feuerte ich vom Trittbrett aus mit einer Maschinenpistole und hielt mich mit der freien Hand am Seitenspiegel fest, um nicht vom Rückstoß in den Graben geschleudert zu werden. Ich fuhr mit Dago und seinen Helfern in den Schnellbooten, die eine sprühende Gischt wie Fuchshaiflossen hinter sich herzogen, hinaus zur Schnapsstraße, wo die Schiffe außerhalb der Dreimeilenzone vor Montauk ankerten. Von den Booten verluden wir die Fracht auf eine Flotte von Lastwagen, die sie zu einer Lagerhalle in Astoria transportierten. Von dort wurde das Zeug auf Restaurants, Clubs und kleine Schwarzhändler verteilt, die in den Straßen von Manhattan ihren Geschäften nachgingen. Zu Letzteren gehörte für Waxey auch Naftali Kupferman, aber ich machte mich dafür stark, dass er einen Nachlass auf die Ware bekam. (Er vervielfachte den Preis, indem er den reinen Branntwein vor dem Weiterverkauf mit allem, von Frostschutzmittel bis Teeröl versetzte.) Als Verbindungsmann konnte ich Naf über das Auf und Ab des Whiskeyverkehrs auf dem Laufenden halten; ich sagte ihm, welche Gegenden gut und welche schlecht versorgt waren, sodass er der Konkurrenz zuvorkommen konnte. Als Gegenleistung für solche Informationen wurde ich in Nafs inneren Kreis aufgenommen und - allerdings vonseiten seiner Statthalter Shtrudel und Turtletaub nur widerstrebend, denn sie hatten die von mir bezogenen Prügel nie verwunden - als unentbehrlich angesehen.
    So wurde ich in der East Side zu einem Faktor, den man einkalkulieren musste. Gleichzeitig genoss ich Carte blanche bei den Fürsten des Schwerverbrechens. Manche ihrer Etablissements betrat man durch Kellertüren mit Spionen oder durch den Kühlraum einer Fleischerei; andere wurden ganz offen unter dem abgewandten Auge des Gesetzes betrieben. Zu Letzteren gehörte Dutch Schultz’ Embassy Club, wo ich einmal beobachtete, wie der Dutchman persönlich Francis X. Bushman unter Vilma Bankys Tisch herauszog, während Helen Morgan in einem lavendelgetupften Abendkleid auf die Bühne wankte. Vermutlich verdrehte mir die Nähe zu den Prominenten ein wenig den Kopf. Außerdem verfügte Waxey

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