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Der gefrorene Rabbi

Der gefrorene Rabbi

Titel: Der gefrorene Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Stern
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er sich ein wenig heiser bei dem Jungen.
    Bernie brauchte einen Moment, um den Weisen, der soeben auf seinem Podium in aller Gelassenheit eine spirituelle Orgie in Szene gesetzt hatte, mit der triefäugigen Vogelscheuche gleichzusetzen, die da ins Zimmer schlurfte.
    Bernie war noch immer mit der mysteriösen Äußerung des Meisters beschäftigt. »Was meinen Sie mit ›sozusagen‹?«
    »Meinen?« Der Heilige legte die pergamentene Stirn in Falten, um sich zu erinnern, wo ihr Gespräch unterbrochen worden war. Dann nickte er und meinte beiläufig: »Meine ich, bin ich schon tot und im Himmel.«
    Erst nach einer knappen Minute fand Bernie die Sprache wieder. »Entschuldigen Sie, Rabbi, aber das hier ist nicht der Himmel.«
    Messalina zog ihm den ephod über den Kopf, während ihm das Mädchen (»A dank, Cosette«) aus der Anzugjacke half und den Kragen löste. Das schweißnasse Hemd klebte an seinem klapprigen Oberkörper, was Cosette dazu veranlasste, vor ihm mit einem Fächer herumzuwedeln, der mit einem Aleph in einem Eisblock geschmückt war - wahrscheinlich das Logo des Hauses. Die Dame mit dem gestrafften Kinn bot ihm ein Glas Zitronentee an.
    »Le’chajim, Rosalie.« Der Alte warf sich einen Zuckerwürfel in den Mund und formte seine Lippen zu einem Oval, das an einen Fisch erinnerte, um den Tee zu schlürfen. Dann kam er auf Bernies Einwand zurück. »Is so gut wie.«
    Trotz seiner Bestürzung ließ der Junge nicht locker. »Nein, ist es nicht.« Er erschrak über die Aggressivität, die in seiner Erwiderung lag. Wo nahm er nur den Mumm dafür her? Aber er dachte an Lou Ellas täglichen Katalog der Katastrophen, die Opferzahlen aus dem Radio, die sie Bernie mitteilen musste, um ihn auf dem Laufenden zu halten. Das war der Ballast, mit dem sie ihn an seinen Heimatplaneten binden wollte - aber verstärkten die Übel, die sie auflistete, seine Neigung zur Flucht nicht zusätzlich? »Es ist Zeit für deinen Katechismus der Kataklysmen«, verkündete sie munter, und Bernie konnte das Ganze noch mit verschiedenen churbanim ergänzen, den Schrecken, die allein die Juden heimgesucht hatten.
    Auf dem Gesicht des Rabbis erschien ein selbstgefälliger Ausdruck: »Kezele, kannst du nicht sitzen auf zwei Töpfen mit einem tocheß. Gib a kuk auf mein Boudoir da drüben.« Bernie warf einen Blick durch die offene Fenstertür auf ein rundes Bett unter sanfter Deckenbeleuchtung, Samtvorhänge, Monitore und Gerätschaften, über deren Zweck er lieber nicht spekulieren wollte. »Siehst du, hob ich doß Heimkino mit dem CD-Spieler, dem Sony-Subwoofer und dem Digitaltuner; hob ich den Plasmafernseher und die Webcam, um zu senden meinen Anhängern die privaten Momente von Rabbi ben Zephir, damit nicht unter dem Bett von ihrem rebbe sie sich verstecken müssen, um fleischliches Wissen zu erlangen. Hob ich hier einen automatischen Massagesessel.« Mit leisem Ächzen ließ er sich in einem gepolsterten Drehstuhl am Kopf der Konferenztafel nieder, und Rosalie setzte eine Katzenaugenbrille auf, um den Stuhl per Knopfdruck zum Vibrieren zu bringen. »Auf dem P-parkplatz h-h-h-hob ich einen Ch-chevy Tahoe und den P-p-p-porsche, woß mir mein Leibwächter Ch-ch-ch-cholly Sidepocket lernen wird zum Fahren.« Rosalie schaltete den Stuhl ab. »Hob ich in dem Keller doß schwiz-bod mit dem Infarot, den Kühlschrank voll mit dem Räucherlachs und dem Importschnaps; hob ich die Damen« - allgemeines Erröten -, »woß mich füttern mit Löffel und geben mir die Pillen, damit wieder aufsteht der kleine jankl …« Aufgeregtes Tuscheln, aber was gab es da noch zu verbergen? »Sogar sie wechseln majn wikele, wenn ich pisch in die Hose.« Bernie war kurz davor, sich die Ohren zuzuhalten. »Hob ich Schüler wie Messiah ben David, woß mich verehren. Wenn doß nicht is gan ejdn, woß dann?«
    Der Junge öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber ihm fiel keine passende Erwiderung ein.
    »Hob ich auch schon den Termin für die Spritze mit dem Botox und die Behandlung von den Krampfadern, damit ich bin wieder jung. Kann ich so leben ewig.«
    »Moment mal.« Bernie drehte sich der Kopf. »Vorhin haben Sie doch gesagt, Sie sind tot.«
    »Sozusagen«, erwiderte Rabbi ben Zephir.
    Bernie stöhnte laut auf. Spielte der Rabbi mit ihm? Als wollte er ihn bestätigen, grinste der Alte. Wie Mikadostäbchen zuckten die Runzeln über seine hohlen Wangen. »Hey, Mosche Kopiber, Herr Verkehrtherum, hoßt du schon ein Mädchen?«
    Bernie strengte sich an, um es dem

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