Der Gegenschlag - Extreme Measures
spürte er einen Schmerz in den Ohren, der allmählich stärker wurde. Eine Gestalt mit einem Gewehr
in den Händen tauchte aus dem Staub auf. Erstaunt sah Nash zu dem Mann auf und versuchte zu verstehen, was das alles zu bedeuten hatte. Wo zum Teufel war er hier? Das alles ergab einfach keinen Sinn.
Es war die Waffe, die ihn zumindest ein Stück weit in die Wirklichkeit zurückholte. Es war ein M4-Karabiner. Nash wusste nicht, woher er das wusste, doch die Waffe war ihm instinktiv vertraut. Der Mann, der da über ihm stand, schwang die Waffe herum, ging in die Hocke und begann zu feuern. Patronenhülsen fielen herab und landeten auf Nashs Kopf. Das heiße Metall an seiner Wange war wie ein Schlag ins Gesicht. In einem Sekundenbruchteil verbreiterte sich seine Wahrnehmung der Wirklichkeit, um sich gleich wieder zu verengen, und ihm wurde bewusst, dass es eine Explosion gegeben hatte. Das warme Gefühl, das sich unter ihm ausbreitete, war sein eigenes verdammtes Blut.
Nash versuchte sich zu bewegen. Er wusste, dass er sich bewegen musste. Wenn das Schießen begann, musste man sich bewegen. Sich zu bewegen bedeutete Überleben. Das Gegenteil bedeutete Tod, oder noch schlimmer, Gefangenschaft. Er drehte sich auf die Seite und spürte eine warme klebrige Masse aus seinem Ohr austreten. Der Mann ließ sich auf ein Knie nieder und strich mit der Hand über Nashs Rücken, während er die Umgebung im Auge behielt und seine Waffe hin und her schwenkte. Plötzlich riss der Mann seine Waffe nach links und ließ einen weiteren Kugelhagel los, während sich Nash wieder auf den Rücken drehte.
Nash sah, wie der Mann den Magazinauswurf drückte, wie die leere Metallbox zu Boden fiel und wie er ein frisches Magazin einschob, ohne hinzusehen. Der Mann gab einen weiteren Feuerstoß ab, sah auf Nash hinunter
und rief ihm eine Frage zu. Nash verstand kein Wort, doch er erkannte schließlich, wer der Mann war: Mitch Rapp.
Irgendwo in der Ferne hörte er rhythmisch polternde Geräusche, seltsam vertraut, aber in dieser Umgebung eindeutig fehl am Platz. Rapp packte ihn am Schultergurt und zog ihn aus der Schusslinie. Nashs Rücken brannte plötzlich wie Feuer, als er über die Explosionstrümmer gezogen wurde. Als der erste Schmerz nachließ, stellte er zu seinem Entsetzen fest, dass er seine Beine nicht mehr spürte. Das seltsame Gepolter wurde lauter.
Nash schlug die Augen auf und fand sich augenblicklich aus den autonomen Stammesgebieten Pakistans in sein Haus in einem Vorort von Washington D. C. versetzt. Sein rechter Arm schlüpfte unter die Bettdecke und fand die warme Haut seiner Frau. Sein Blick schweifte zu dem vertrauten rosa-weißen Kristallleuchter, den sie unbedingt über dem Bett hatte haben wollen. Er seufzte, schloss die Augen und bewegte die Zehen. Das Gepolter begann von neuem. Es kam aus einem anderen Zimmer und war ihm weder unbekannt noch unangenehm.
Nash drehte sich auf die Seite, schlug die Bettdecke zurück und schwang die Beine aus dem Bett. Er trug eine graue Flanellpyjamahose und sonst nichts. Er stützte die Ellbogen auf die Knie und strich sich mit den Händen durch sein kurzes braunes Haar. Mit seinen achtunddreißig Jahren war er noch immer topfit, und doch war sein Körper nicht mehr ganz so perfekt, wie er aussah. Ein stechender Schmerz schoss von einer Schläfe zur anderen, und es tat weh, auch nur die Augen aufzumachen. Es erinnerte ihn an seine Zeit beim Marine Corps, als er viel zu viel trank. Das hier waren jedoch nicht die Folgen einer durchzechten Nacht. Er hatte schon drei Spezialisten
aufgesucht, und keiner hatte ihm sagen können, warum er jeden Morgen so entsetzliche Kopfschmerzen bekam, wenn er aus dem Bett aufstand. Offensichtlich konnte man von einer heftigen Explosion mehr davontragen als eine Gehirnerschütterung.
Doch bei alldem war er dankbar, dass er noch gehen konnte. Es hatte vier Operationen gebraucht, um alle Granatsplitter aus seinem Rücken herauszuholen. Die letzte Operation war die schwierigste, weil ein rasiermesserscharfes Stück Metall zwischen den Wirbeln L3 und L4 entfernt werden musste. Nach dieser Operation hatte er erstaunliche Fortschritte gemacht.
Abgesehen von den körperlichen Narben, die die Granatsplitter auf seinem Rücken hinterlassen hatten, gab es nur wenige Anzeichen, dass Mike Nash sich verändert hatte, doch diejenigen, die ihm nahestanden, stellten fest, dass er sehr angespannt wirkte. Seine Frau hatte ihn gewarnt. Thomas Dudley, der Psychiater, der
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