Der Gegenschlag - Extreme Measures
mit ihm arbeitete, hatte immer wieder versucht, ihn dazu zu bringen, über das, was er durchgemacht hatte, zu reden. Dudley meinte, dass er einen Weg finden müsse, einfach mal ein bisschen Dampf abzulassen.
Doch Nash verspürte nicht das geringste Bedürfnis, sich noch einmal mit den Dingen zu beschäftigen, die er durchgemacht hatte. Er war ein Experte in mentalen Überlebensstrategien. Das hatte er auf den Ringmatten und den Footballfeldern seiner Jugend gelernt. Bei den Marines hatte er die Fähigkeit zu überleben weiter perfektioniert, und bei der CIA war er endgültig zum Meister in dieser Kunst geworden. Wegstecken und weitermachen, das war ihr Motto. Vielleicht war ja später einmal Zeit, sich mit alldem zu beschäftigen. Vielleicht würde es aber auch ganz von allein heilen. Er hoffte es jedenfalls,
denn es gelang ihm immer weniger, sein Leben zu genießen.
Seine Gedanken schweiften zu Mitch Rapp. Nash sagte sich, dass er kein Recht hatte, sich über irgendetwas zu beklagen. Der Mann war für sie alle auf eine Granate getreten. Bald würde ihnen die Scheiße um die Ohren fliegen, und Rapp trat wieder einmal vor und sagte den anderen, sie sollten sich in Sicherheit bringen. Nash blickte über die Schulter auf seine Frau hinunter, er dachte an die schönen Jahre, die sie schon zusammen erlebt hatten, und fragte sich, wie sie und die Kinder damit fertigwürden, wenn er angeklagt wurde. Rapp war überzeugt, dass er den Kopf für sie alle hinhalten und die Aufmerksamkeit von den anderen ablenken konnte, doch Nash war sich da nicht so sicher. Ein Untersuchungsausschuss im Kongress war schon schlimm genug, aber das hier sah nach etwas Schlimmerem aus. Es roch nach einem Fall für das Office of Special Counsel, und das bedeutete, dass es sich über Jahre hinziehen und dabei alles Mögliche zum Vorschein kommen konnte, an das niemand mehr gedacht hatte.
Das Gepolter am anderen Ende des Flurs wurde immer heftiger. Seine Frau bewegte sich im Schlaf. Nash stand auf und schritt steif durch das Zimmer und über den Flur. Die Türen von zwei Kinderzimmern waren geschlossen, doch die letzte Tür auf der linken Seite stand einen Spalt offen. Das mysteriöse Geräusch kam aus dem kleinsten Zimmer im ersten Stock. Nash blieb draußen stehen und spähte durch den Spalt. Drinnen sah er den ein Jahr alten Charlie von einem Ende des Gitterbetts zum anderen sausen, wie ein Profiringer, der sich aus den Seilen katapultiert, um Schwung zu holen für eine Clothesline oder einen kolossalen Leg Drop.
Nach einigen weiteren Längen blieb er stehen und hielt sich am Seitengitter fest. Seine winzigen Finger umklammerten das weiße Holz, seine Wangen blähten sich auf, und er legte alles hinein, was er hatte. Vor und zurück, vor und zurück. Unermüdlich und mit einem Riesengepolter.
Mike Nash fand die Entschlossenheit dieses kleinen Kerlchens bewundernswert. Er drückte die Tür ein bisschen weiter auf und wartete darauf, gesehen zu werden.
Charlie bemerkte die Bewegung und guckte mit seinen großen braunen Augen über das Gitter. Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Kleinen aus. Er stellte sich auf die Zehenspitzen, breitete die Arme aus und kreischte: »Dada. Dada.«
Mike Nash war voller Liebe für den kleinen Kerl, den er eine ganze Woche nicht gesehen hatte. Er schritt durch das kleine Kinderzimmer, fasste Charlie unter den ausgestreckten Ärmchen, hob ihn hoch und nahm ihn in die Arme. Nash küsste ihn auf die glänzend rote Wange und dann auf den Hals. Charlie kicherte und kreischte vor Lachen.
»Guten Morgen, Chuck«, flüsterte Nash. »Hast du mich vermisst?«
Charlie klatschte seinem Vater erstaunlich kräftig mit beiden Händchen auf die Wangen und versuchte ihn dann zu packen. Nash befreite sich, indem er den Kopf schüttelte, und begann dann mit dem Mund nach Charlies Fingern zu schnappen. Charlie zog die Hände zurück und kreischte vor Vergnügen.
Nash legte ihn auf den Wickeltisch, zog den Reißverschluss des Pyjamas auf und machte sich mit der Zielstrebigkeit eines Marine Gunnery Sergeants, der ein M16-Sturmgewehr auseinandernimmt, an die Arbeit. Eine
frische Windel wurde auseinandergefaltet und bereitgelegt. Die Laschen der vollen Windel wurden gleichzeitig zurückgezogen, doch bevor er die Windel öffnete, griff Nash noch nach einem Waschlappen, um ihn zwischen Charlies Beine zu legen, für den Fall, dass der Kleine beschloss, den Wickeltisch zu wässern. Diese Lektion hatte er bei
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