Der Gegenschlag - Extreme Measures
etwas zurück, was vor ein paar Tagen geschehen war. »Aber natürlich«, sagte er sich.
Leland eilte an den kleinen Schreibtisch, den er sich mit einem anderen Offizier teilte. Er schob einen Stapel Zeitschriften, geöffnete Umschläge und Briefe zur Seite - und da war es, was er suchte. Leland nahm die Karte mit der edlen Goldprägung vom Schreibtisch und hielt sie hoch, als wäre es ein Lottoschein, mit dem er eine Riesensumme gewonnen hatte. Er strich mit dem Finger über den Namen auf der Karte und fragte sich, ob der Mann
sich noch an ihn erinnern konnte. Ja, dachte er schließlich, er würde sich erinnern. Das war sein Ausweg aus der Klemme. Er würde in Washington anrufen und Alarm schlagen, und dann würde dieser arrogante Dummkopf für das, was er getan hatte, geradestehen müssen.
Leland nahm eine seiner Telefonkarten, die er mit einem Care-Paket zugeschickt bekommen hatte, und überlegte, von wo es am sichersten war, den Anruf zu machen. Es war Vormittag in Washington, wahrscheinlich die beste Zeit für den Anruf. Leland ging zur Tür. Zum ersten Mal seit Tagen hatte er ein Lächeln im Gesicht. Während er durch den Gang eilte, dachte er an Rapp. »Wir werden schon sehen, ob du dir dann immer noch so toll vorkommst, wenn ich mit dir fertig bin. Du wirst dir noch wünschen, du hättest mich nie angerührt.«
29
DREILÄNDERECK
Es war schon fast Mittag. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel. Die feuchte Hitze im Tal wurde immer schlimmer. Karim verscheuchte ein großes Insekt, das ihm fast in die Nase flog, und wischte sich die Stirn mit einem olivgrünen Tuch ab. Er blickte zu dem weißblauen Flugzeug hinüber. Es war eine Basler BT-67 - eine modifizierte Version der Douglas DC-3, die mit zwei Pratt & Whitney-Turboprop-Triebwerken und einer neuen Avionik ausgestattet worden war. Die Maschine stand etwa fünfzehn Meter von dem klapprigen Lagerhaus entfernt, und ihre beiden Propeller glänzten in der Sonne.
Sie hatten den Traktor vom Waldrand geholt und die Schaufel durch eine Gabel ersetzt. Dann holten sie die beiden Paletten mit Kokain aus dem Lagerhaus und stellten sie möglichst nahe zum Flugzeug. Vier von Karims Männern stellten sich in einer Linie auf und beförderten die Kokainblöcke von den Paletten in den Frachtraum des Flugzeugs. Sie arbeiteten schon eine Stunde ununterbrochen. Eine Palette war inzwischen verladen, und die zweite hatten sie ungefähr zur Hälfte erledigt. Im Gegensatz zu den Dealern, die sie gerade getötet hatten, beklagten sich diese Männer nicht und erfüllten ihre Aufgabe viel effizienter.
Karim sah auf seine Uhr und dachte an die Wächter, die er auf den beiden Zugangswegen postiert hatte. Es war fast eine halbe Stunde her, seit sie sich zum letzten Mal gemeldet hatten. Er griff nach seinem Funkgerät und verlangte einen Lagebericht. Sie meldeten beide, dass auf den Wegen alles ruhig sei. Karim spürte, wie es ihm die Brust zuschnürte und sein Puls schneller ging. Er steckte in einem Dilemma und wusste nicht, was er tun sollte. Einerseits wollte er diesen schrecklichen Ort so schnell wie möglich verlassen, aber andererseits hasste er das Fliegen. Das Flugzeug hatte zwar neue Triebwerke, doch ansonsten schien es sich um ein sehr altes Modell zu handeln. Sein Freund Hakim hatte ihm jedenfalls erklärt, dass es ein altes Modell sei, von dem in den dreißiger Jahren und während des Zweiten Weltkriegs fast hunderttausend Stück hergestellt worden waren, er hatte aber gemeint, dass das ein gutes Zeichen sei; der Umstand, dass diese Flugzeuge nach so vielen Jahren immer noch erneuert und geflogen wurden, beweise doch, wie robust sie seien.
Karim blickte nervös zu dem Flugzeug zurück und fragte sich, ob sein Freund aus Kindheitstagen wusste,
was er tat. Nicht, was das Fliegen betraf. Darin war er ein Meister. Hakim flog schon, seit er sechzehn war. Hubschrauber, Flugzeuge, Düsenjets, Segelflugzeuge - so gut wie alles, was er in die Finger bekam. Außerdem hatte er dieses Ding hierher geflogen und so sanft auf den Boden gebracht, dass die Maschine bei der Landung nur einmal ganz leicht hüpfte. Karims Sorge galt im Moment mehr der Beladung des Flugzeugs. Er verstand nicht viel von solchen Dingen, aber es sah so aus, als müsse man das sehr methodisch machen. Die beiden Männer hatten sich im Alter von sieben Jahren kennengelernt. Sie hatten nur ein paar Straßen auseinander gewohnt und dieselbe Schule besucht. Karim wusste, dass sein Freund viele Fähigkeiten besaß,
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