Der Gegenschlag - Extreme Measures
sagte ihm ganz offen, dass er im Ruf stehe, besonders schwierig zu sein. Und das sei nicht nur seine Einschätzung; der vorherige Kommandant habe es genauso gesehen. Er sei schon einmal bei der Beförderung zum Major übergangen worden. Garrison erklärte ihm, dass es darauf hinauslaufe, dass ihn weder seine Vorgesetzten noch seine Untergebenen mochten.
Garrison nahm kein Blatt vor den Mund; wenn ihm daran gelegen sei, so der General, es bis zum Flaggoffizier zu bringen, was von seinen Fähigkeiten her durchaus möglich sei, dann müsse er aufhören, ein so unflexibler Arsch zu sein. Ein starkes Stück, dachte Leland, das Ganze zu einem Beliebtheitswettbewerb zu machen. Das stand doch im Widerspruch zu allem, was man ihnen beigebracht hatte. Sie waren doch hier nicht in der Highschool. Beförderungen sollten nicht von der Beliebtheit abhängen. Sie standen im Krieg, und da kam es allein auf die Leistung an. Auf Fähigkeiten und Leistung. Es kam
darauf an, seine Aufgaben zu erfüllen, und genau das tat Leland.
Ein paar Typen in seinem Alter vom Reserveoffizier-Ausbildungskorps ROTC hatten die Beförderung bekommen. Leland nahm das persönlich und schrieb es der Tatsache zu, dass ihn sein befehlshabender Offizier nicht mochte, und jetzt hatte er schon wieder einen Vorgesetzten, der ihn nicht leiden konnte.
Mit der Gabel stocherte Leland in den sahnigen Nudeln und fand ein Stück Hühnerfleisch. Er versuchte die Gabel zu drehen, doch es gelang ihm nicht, und er sah sich um, um sich zu vergewissern, dass ihn keiner beobachtete. Erleichtert beugte er sich vor und schob sich eine Gabel voll in den Mund. Er spürte etwas Käsesoße am Kinn und nahm sich eine Serviette. Während er sich das Kinn abwischte, dachte er an seinen früheren Vorgesetzten. Der Mann hatte nicht die Akademie absolviert, deshalb war es verständlich, dass er Leland nicht mochte. Leland hatte immer schon das Gefühl gehabt, dass die Offiziere, die in niedrigeren Institutionen ausgebildet worden waren, eine gewisse Feindseligkeit gegenüber den anderen hegten. Garrison hingegen hatte auch die Akademie absolviert. Gehörte er etwa zu den Offizieren, die auf keinen Fall den Eindruck erwecken wollten, dass sie jemanden bevorzugten? Leland war sich nicht sicher, aber er hielt es für durchaus möglich. Wie auch immer, der Mann wurde jedenfalls den Standards und Idealen eines befehlshabenden Offiziers nicht gerecht.
Die ganze Situation fühlte sich völlig verkehrt an; sein Handgelenk schmerzte, das Auge ebenso, aber am schlimmsten war, dass er in seiner Ehre verletzt worden war. Die Regeln ein bisschen zu dehnen war eine Sache - aber das hier war viel gravierender. Hier wurden die
Regeln mit Füßen getreten, die das Rückgrat der United States Air Force bildeten. Noch nie hatte sich Leland so isoliert gefühlt, nicht einmal in seinem ersten Jahr an der Akademie, als er furchtbar schikaniert wurde. Es war absolut unfair. Er hatte sich genau an die Vorschriften gehalten. Die Beförderung zum Major, die sie ihm in Aussicht stellten, hatte er sich redlich verdient, aber so wollte er sie nicht haben. Er wollte, dass man seine Fähigkeiten und seine Leistungen anerkannte. Und er sagte sich, dass es ihm ganz einfach um Gerechtigkeit gehe. Das Angebot, dass er jeden Posten haben könne, den er sich wünschte, war glatte Bestechung. Glaubten sie wirklich, dass er überhaupt keine Prinzipien hatte?
Leland war so mit seinen Gedanken beschäftigt, dass eine Gabel voll Nudeln auf seiner Uniform landete. Er stieß einen leisen Fluch aus und legte die Gabel auf den Teller. Als er die Uniform abwischte, hörte er Gelächter von einem der Nachbartische. Er blickte auf und sah einen Major und zwei Krankenschwestern über ihn lachen. Er kannte den Major gut genug, um zu wissen, dass er ihn nicht mochte. Sein Name war Cliff Collins. Er hatte das Air-Force-ROTC-Programm der University of North Dakota absolviert. Er war athletisch gebaut, gut aussehend, nicht dumm und viel zu sehr von sich eingenommen. Ja, er war das beste Beispiel dafür, dass mit den Beförderungen etwas grundfalsch lief. Nach Lelands Ansicht bewies der Mann wieder einmal, dass es heutzutage wichtiger war, beliebt zu sein, als etwas zu können.
Der Stress der letzten Tage hatte ihm seine Geduld geraubt. Er sah Collins finster an. »Finden Sie das komisch, Major?«, sagte er.
»Tut mir leid, Captain«, antwortete Collins mit einem künstlichen Lächeln.
»Sehr leid scheint es Ihnen aber nicht zu tun,
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