Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Leshem
Vom Netzwerk:
vor einer Verletzung der Rechte des Nächsten zu schützen. Es sei nicht obligatorisch, eine Steinigung bei Fällen von Sodomie zu verhängen, wenn die Beteiligten verheiratet sind, in solchen Fällen sei der Religionsrichter befugt, eine der vier Möglichkeiten zu wählen: Steinigung, mit gefesselten Händen und Füßen vom Felsen werfen, Erhängen oder Verbrennung – ganz nach seinem Ermessen. Er wolle zu bedenken geben, dass das Ersetzen einer Steinigung durch irgendeine andere Hinrichtungsart eine Verletzung der Rechte der Delinquenten darstelle, denn gemäß der Scharia habe ein Verbrecher die theoretische Möglichkeit, sich aus der Grube zu befreien.
    Genug. Ich stand auf, um zu gehen. Wir gehörten nicht zu dieser Welt. Ich durfte mich nicht an unseligen Geschichten einiger Randexistenzen und Fehlschlägen aufhängen. «Danke, Muhammad», verabschiedete ich mich, «wir sehen uns.»
    Er streckte mir die zerschlissene Aktenmappe hin. «Nimm das Gesetz mit. Wenn dein Homo nicht mehr nach Hause kommt, aber auch wenn doch, bist du eingeladen, an unseren geheimen Treffen teilzunehmen, jeden Freitag im alten Kino in der Kutscheh-Kustani-Gasse. Und pass im Internet auf, versuch nicht, blockierte oder verbotene Websites zu öffnen. Und lad dir eine Software runter, die die Spuren deiner IP -Adresse verwischt. Und korrespondiere nicht mit Leuten, die du nicht kennst, und falls doch, dann nur in einem gutbesuchten Chatroom, nie per Mail. Und wenn du keine Wahl hast, dann geh in ein Internetcafé, leg dir eine einmalige Adresse an. Benutz nie zweimal die gleiche Adresse.»
    Ich verließ ihn auf dem kleinen Moped, das verloren zwischen den Straßen des geschlossenen Stadtdschungels navigierte, der feindselig und wild schien, jedoch ein Ende hatte. Im Norden erhob sich eine Gipfelkette, sanft umgeben von einer weißen Aureole. Dort endete die Welt. Ich liebte diesen Anblick, denn wenn alles verloren sein sollte, könnte ich über die Berge fliehen, nach Hause, und ganz neu beginnen. Herr Ali Samimi pflegte zu sagen: «Am wichtigsten im Leben ist das Talent, schlechte Erinnerungen auszuradieren oder sie in gute zu verwandeln.» Würde ich auch Erinnerungen wie diese verwandeln können? Ich würde zu den Schmetterlingen von Anzali zurückkehren, den kokettesten Geschöpfen, denen ich je begegnet war, zu den violetten Kleeblüten, zu einem Leben mit Pistazien und Salzgurken, Kebab und buttertropfendem Reis und dem Rauschen des Meeres, wenn Amir und ich uns spritzend hineinstürzten, um uns herum nichts als Sonne. Aber Herr Ali Samimi sagte auch immer: «Wir sind Gefangene in unserer Seele, es gibt kein Entrinnen vor der Reue.» Ich kehrte zur Wohnung zurück, vielleicht würde Babak wiederkommen. Wir saßen herum, die beiden alten Damen und ich, und warteten. Zahra hatte keine Lust, den Kater zu füttern, saß leblos da, mit erstarrten Wimpern, es schien, als blinzle sie nicht einmal. Ich sagte: «Schade, Tante, wenn du dem Kater ganz viel zu fressen geben würdest, dann würde er dick werden und mehr für Streicheleinheiten zu haben sein, er würde den ganzen Tag von dir auf den Arm genommen werden wollen, und das würde helfen, in solchen Tagen.» Frau Safureh und ich redeten und redeten. «Es wird nie mehr solche Tage geben, wie wir sie hier hatten, Kami», sagte sie. «Schluss damit, Frau Safureh», entgegnete ich, «man darf sich nicht dem Schrecken überlassen, es ist nur das, was es ist, nichts weiter. Wenn dieser Kampf zu Ende ist, werden wir stärker sein als vorher», versprach ich, und die alte Frau verdrehte geringschätzig die Augen. «Nein, mein junger Freund», entgegnete sie, «wir sind dressierte Tiere, und wenn dieser Kampf vorbei ist, werden wir noch dressierter sein.»
    Wir warteten. Als ich es satthatte zu warten, fuhr ich zu Nilufar und wartete dort. Lange stand ich unter ihrem Wohnturm, bis sie auftauchte, mich sah und vom Parkplatz aus, vor Freude hüpfend, rief: «Mein Kami!», sodass es alle hören konnten. Sie umarmte mich fest, als wir uns in den Aufzug drängten. Doch ich war müde, all die Gedanken in meinem Kopf. Im Penthouse ließen wir uns auf den Teppich fallen und verschlangen einander. Unter ihren Händen entspannte ich. Sie sagte nicht, es wird ein gutes Ende finden, aber sie sagte: «Mach dir keine Sorgen.» Und sie sagte: «Komm, wir reden über fröhliche Dinge», packte meine Wangen, quetschte sie zusammen und rief: «Na los, erzähl mir was Fröhliches!» Sie zog einen Umschlag aus

Weitere Kostenlose Bücher