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Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Leshem
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Charakter, aus Israel.»
    «Es reicht jetzt. Wenn ihr damit aufhört, euch zu verstellen und Online-Pornos zu machen, vielleicht würde man euch dann auch mal zuhören.»
    «Oder der Porno ist die einzige Chance, dass uns jemand zuhört. Oder vielleicht ist es uns egal, wer zuhört? Alle hier sind nützliche Idioten, wie Lenin immer sagte.»
    «Polinnen, denkt ihr, dass ich ein Barbar bin?»
    «Warum sollten wir?»
    «Ich weiß nicht, vielleicht denken die Leute das.»
    «Nein, wieso barbarisch, orientalisch vielleicht. Die Polinnen verzichten nicht so leicht auf dich, Prinz, vielleicht ziehst du dich endlich mal aus?»
    «Ich bin ein bisschen in einem Schlamassel. Nicht heute.»
    «Keine Bange, alle gehen hier verloren.»
    Heftiger Regen prasselte. Ich öffnete das Fenster, erfrischte mich an dem sauberen Geruch. Streckte die Hände aus. Sie wurden nass bis auf die Knochen. Ich rief Chamad, er solle mir Gesellschaft leisten, hob ihn hoch und stellte ihn aufs Fensterbrett. Zusammen starrten wir in die Dunkelheit. Die kleine Nase hinausgestreckt, mit zitterndem Schwanz, aber er war neugierig, haschte nach den Tropfen. Sie rannen ihm über die Nase, ich legte mein Kinn auf den pelzigen Schädel, ergriff seine beiden Vorderpfoten und wollte tanzen. Er zappelte und wand sich, kratzte mich und stolzierte dann fauchend durchs Zimmer. Die Tür war geschlossen, er konnte nirgendwohin flüchten. Krähen krächzten und klopften aufs Dach. Mein Herz bebte. Ich streckte mich auf dem Bett aus, doch ich hatte das Gefühl, als läge ich im Staub. Plötzlich war es klar. Ich war ein Zündholz, das schnell erlöschen würde. Weder das Ende meiner eigenen Geschichte noch das dieser armseligen Stadt würde ich jemals erfahren.
    «Alles Unsinn», sagen die Polinnen, «die Menschen finden sich mit allem ab.»
    «Glaubt ihr?», frage ich. «Ich meine, an Gott zum Beispiel.»
    «Sicher glauben wir, geliebter Perser, wer sonst zieht an den Fäden unseres Lebens?»
    «Vielleicht Lenin?»
    «Vielleicht.»
    Brüste zitterten mir vor dem Gesicht. Eine Polin sagte: «Stell Fragen, kleiner Perser, ich liebe Fragen. Ich liebe auch Nacktfotos.»
    In meinem Kopf lärmte es. Ein Sturm peitschte ans Fenster. Auch wenn ich für wenige Augenblicke einschlafen würde, in meinem Kopf würde ich wach bleiben. Ich wollte, dass etwas passierte, etwas Extremes. Dass Zahra hereinkäme und mich an sich ziehen würde, an ihre Brüste, die mich gewalttätig anstarren würden.
    Endlich versanken sie alle. Plötzliche Leere. Ich blieb allein im Netz zurück, der schläfrige Kater schnüffelte an meinen Fußsohlen. Ich schwang ihn in die Luft, drückte ihn an mich und kam endlich zur Ruhe.

10
    «Hast du das gewusst?», fragte Zahra. «Man hat ein Experiment gemacht, bei dem man Katzenjunge vom Tag ihrer Geburt an in einen dunklen Käfig gesperrt hat, die gesamten ersten Monate befanden sie sich in totaler Finsternis. Als sie ans Licht geholt wurden, konnten sie nicht sehen, blieben blind für den Rest ihres Lebens. Wie sich herausstellt, ist es ein angelernter Sinn.»
    Chamad, der Kater, wird für immer und ewig davon überzeugt sein, dass Zahra seine Katze ist. Das ist das erste Problem. Das zweite Problem ist, dass es ihm nicht wirklich etwas ausmachen würde, wenn Zahra oder irgendjemand von uns stirbt. Es besteht keine Chance, dass er auch nur ein besorgtes Zucken um unser Wohlergehen zeigen würde, denn er ist nun mal ein Kater, das muss man verstehen. Er ist misstrauisch. Immer auf der Hut vor dem Feind, das heißt, es muss unbedingt einen Feind geben. Und Pastrami muss es geben, um es mit den Pfoten über den ganzen Boden zu treten wie einen Fußball, um das Gefühl zu haben, es sei auf der Flucht vor ihm, und erst dann grausam die Zähne hineinzuschlagen. Er ist ein Kater. Das Problem mit Zahra ist, dass sie es am meisten liebt, geliebt zu werden. Und Katzen schätzen eine solche Eigenschaft nicht.
    Jahrelang war Zahra davon überzeugt, dass Katzen gemeine und verfluchte Tiere seien. Bis sie eines Nachts im Park ein winziges Ding in einem japanischen Strauch gewahrte, das sie mit fluoreszierenden Augen beobachtete. Ohne zu begreifen, was sie eigentlich tat und warum, und sicher ohne an die Konsequenzen zu denken, kehrte sie in die Wohnung zurück, holte einen Joghurtbecher und eilte wieder in den Park, um das Miniaturbündel hinter sich her zu locken, indem sie eine Spur weißer Tröpfchen entlang des Weges träufelte, und das Katzenjunge hüpfte von einem

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