Der geheime Basar
Privathaushalten ist zu langsam dafür», entschuldigte ich mich. «Aber keine Sorge, ich lade sie über die Schnellverbindung in der Universität herunter», versprach ich, und Zahras müdes Lächeln ließ den Raum erstrahlen, funkelnd und erwartungsvoll. «Ich bin euch wirklich dankbar, Kinder», sagte sie zärtlich. «Welch ein Wunder, dass von allen Filmen ausgerechnet dieser übrig ist, den ich am meisten von allen wollte, der dazu gedacht war, den letzten Skeptikern zu beweisen, dass nun keine wippenden Brüste, keine billigen erotischen Witze mehr angesagt waren, sondern die neue Ästhetik, ein von Bitterkeit durchtränkter Film, genau wie es das niveauvolle Publikum mag. So möchte ich in Erinnerung behalten werden, eine Schauspielerin mit Leib und Seele, der keine offenen Türen vergönnt waren, die einen Moment vor ihrem Durchbruch gestürzt wurde. Jetzt macht ihr mich wieder lebendig, dank eurer lebt das Rex-Kino.»
Ich zog mich in die Dusche zurück. Der neugierige Chamad trabte mir nach, kratzte an der Tür. Ich war müde und aufgewühlt, mein Herz spielte wieder verrückt, weitete sich, verlor die Orientierung. Ich wollte Nilus warme Haut spüren und hatte Mitleid mit Zahra. Ich wollte mit Chamad toben, ihn kitzeln, ihm die Beine zusammenbinden, während er sich zu gehen mühte, damit er strampeln und fauchen würde, ihn einsperren, ihn in der Luft zappeln lassen, bis er durchdrehte. Hilflos fiel ich aufs Bett. Auch als sich die Tür des Zimmers öffnete, drehte ich nicht den Kopf hin. Zahra schlüpfte herein und flüsterte mit einem zufriedenem Seufzer: «Danke dir, mein Lieber», setzte sich neben mich, stellte ein Glas Whisky auf der Kommode ab und umarmte mich wie eine nachsichtige Mutter, eine Mutter, die einen zu behüten weiß. Ich sagte zu ihr: «Tante, ich habe es dir noch nicht erzählt, ich habe eine Freundin, es ist Nilufar, die Rennfahrerin, ich denke, sie steht kurz davor, Geschichte zu machen, sie wird es schaffen, die Männer herauszufordern.» Zahra atmete tief ein und aus, mit zusammengekniffenen Augen. «Wenn man bereit ist, hier überhaupt anzutreten, heißt das an sich schon, dass man mit der Regierung kooperiert», antwortete sie schließlich, «aber du hast wohl recht, vor lauter Verboten haben die Frauen hier zu viel freie Zeit, am besten ist, die Mädchen richten ihre Energie auf den Sport», sagte sie, wobei sie sich vollkommen verwirrt anhörte.
«Freust du dich für mich?», fragte ich.
«Es ist sehr merkwürdig für mich, dass hier ein Mann in der Wohnung wohnt», murmelte sie für sich.
«Merkwürdig gut oder merkwürdig schlecht?», fragte ich, denn ihre Stimme klang traurig.
«Es hat Männer hier gegeben, seit Arian gegangen ist, aber keiner hat bei mir gewohnt.»
Wie meint sie das? Dass Bekannte in der Wohnung zu Besuch waren oder dass sie andere Männer im Bett hatte, nachdem sie Witwe geworden ist; hier in der Wohnung, klammheimlich? Und wenn ja, warum erzählt sie mir das? Das mussten die Provokationen des Stars sein, der in ihr begraben lag, dachte ich. Aber ihren Geruch, der sich auf mich übertrug, fand ich angenehm.
14
Es vergingen vier Tage, bis der verbannte Film seine Reise vom Computer Schaschliks, des Kuwaiters, in Melbourne, Australien, zu uns in den Norden der verbotenen Stadt vollendet hatte. Wir beriefen ein feierliches Abendessen mit anschließendem Heimkino ein. Ich brachte Nilufar zum ersten Mal mit, und Babak lud Schnecke ein. Der Esstisch wurde ausgezogen und mit Holzplatten erweitert, die seit über zwanzig Jahren nicht mehr ans Licht gekommen waren. Wir versammelten uns in bester Kleidung im samtigen Gästezimmer des Stars, der aus seinem Schlaf erweckt werden sollte.
Am Nachmittag, während der Vorbereitungen, hatte Zahra den Kühlschrank von seinem Platz weggerückt und dahinter, unter einem Paar loser, mit feuchtem Schimmel überzogener Fliesen staubige Geldrollen hervorgezogen. «Hier, nimm, eineinhalb Millionen Tuman.» Damit meinte sie eigentlich fünfzehn Millionen Rial, denn die Tuman-Währung existierte nicht mehr, doch seit sich die Inflation überschlug, hatten die Leute allgemein aufgehört, in Rials zu rechnen, sie hatten eigenmächtig eine Null gestrichen und waren zu dem alten Namen zurückgekehrt – Tuman. Zahra legte die zusammengerollten Geldscheinpäckchen in meine offenen Hände und schickte mich los, um einen Flachbildfernseher im Tadschrisch-Center zu kaufen, und groß solle er sein, verlangte sie. Und sie bat mich
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