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Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Leshem
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aufzuhören, so schockiert auszusehen, «denn das Leben ist nun mal kompliziert, verlass dich nie auf Banken, Kami, irgendjemand wird schon dafür sorgen, sie zu verstaatlichen». Babak schloss sich der Expedition an, um mir tragen zu helfen und um unterwegs die Fleischeintöpfe von dem beliebten Restaurant Elburs abzuholen, vor dem sich eine lange Schlange wand und über dessen Tür das Schild prangte, «Eintritt nur für Familien», in der Hoffnung, Sittenverbrecher von der funkelnden Bar fernzuhalten.
    Wir krochen in einem Taxi durch den Stau. Babak war aufgeregt und redete mit lauter Stimme über Dinge, die nur im Flüsterton gesagt werden sollten. «Auf einmal möchte ich niemand anders mehr sein, einfach nur ich selbst und mit Schnecke zu Zahras Festessen kommen. Es wird komisch sein, mich daran zu gewöhnen, ich zu sein», sagte er lächelnd, «mir scheint, ich bin in Schnecke verliebt.»
    Ich befürchtete, dass der Fahrer mithörte, denn er musterte uns unbehaglich über den breiten Rückspiegel. Doch Babak, als sei eine Lokomotive in ihm losgebrochen und habe die Mauern niedergewalzt, konnte sich nicht bremsen: «Wir Homosexuellen, wir sind alle Chamäleons.» Dann erging er sich wieder genüsslich in der Nostalgie des Leidens, seufzte stolz und ergeben, und begann zu erzählen.
    «Wenn sie mich nicht verflucht hätten, als ich zwölf war, wäre mir überhaupt nicht aufgefallen, dass irgendetwas komisch ist. Ich kam immer mit zu hübschen Schals oder zu vielen Schals in die Schule, ich saß in weiblicher Haltung da, ein Bein über das andere geschlagen, ohne es zu merken. Und ich tanzte. Sang. Ich war ein wandelndes Klischee. Mir war immer langweilig mit Jungen, aber ich hing auf dem Fußballplatz herum, weil ich wollte, dass sie mich mochten. Doch sie mochten mich nicht und nannten mich ein Mädchen. Bis sich mir ein kluger Kobold ins Ohr setzte und flüsterte: Sei ein Chamäleon. Ziehe keine Mädchenfarben an. Lächle nicht wie Mädchen. Denke nicht wie Mädchen. Also nahm ich eine völlig andere Farbe an, setzte eine Maske auf, wurde vorsichtig, war beinahe ein Mann. Zwar entfuhr mir hin und wieder aus Versehen ein hohes Gackern oder ein unbeherrschtes Kichern, doch ich war ein Schauspieler und machte einfach immer das Gegenteil von dem, was für mich natürlich gewesen wäre, bis ich mich daran gewöhnt hatte und mich niemand mehr ein Mädchen nannte, sich keiner mehr daran erinnerte, dass ich jemals ein Mädchen gewesen war, und kein Sittenpolizist mich verdächtigte und auf der Straße verprügelte oder verhaftete. Und mir ging es gut damit. Es ging mir meistens gut damit», erzählte Babak und sonnte sich in stolzem Zorn, als trete er einen Siegesmarsch nach einer blutigen Schlacht an. «Es ging mir nur nicht gut, wenn mein Vater im Haus herumlief und mit sich selbst redete, wobei er dafür sorgte, dass ich es hörte. Er sagte, wenn ich einen homosexuellen Sohn hätte, würde ich mich umbringen. Wenn ich einen Homosexuellen als Sohn hätte, würde ich ihn erschießen. Wenn ich einen Homosexuellen als Sohn hätte, würde ich zu ihm sagen, du Abschaum, so was wie homosexuell gibt es überhaupt nicht, und dann würde ich ihn erschießen, denn das ist besser als die Beleidigung und Beschmutzung meiner Ehre im Betrieb, im Haus, beim Krämer, hinter meinem Rücken, so sagte er immer. Wenigstens war er nicht zu vernagelt, um überhaupt keinen Verdacht zu haben, tröstete ich mich, wenigstens bemerkte er mich. Aber gar nicht gut ging es mir, wenn die Angst an mir nagte und die Einsicht dämmerte, dass es eines Tages nicht mehr so leicht sein würde, ein Chamäleon zu sein und sich unaufhörlich der Natur zu widersetzen. Alle ringsherum würden erwachsen werden, nur ich würde ein Kind bleiben. Oder ein Mädchen, das dachte, es sei ein Junge. Verstrickt in eine endlose Lüge. Und wie kann ich erklären, was nicht zu erklären ist, dass es das ist, was ich bin, Schluss aus? Es ist schrecklich schwierig, verschwinden und gleichzeitig von allen beachtet werden zu wollen.»
    «Ich bin stolz auf dich», erklärte ich und lächelte liebevoll, ohne Rücksicht auf den Taxifahrer. Ich dachte an Amir, wäre er jetzt hier gewesen, hätte ich ihn schlagen müssen, damit er zuhörte, und dann mit ihm reden und ihm beweisen, dass ich recht hatte, dass Babak recht hatte, denn wir waren wirklich aufseiten der Guten. Wie war es nur möglich, dass Amir auf der Seite der Schlechten war? Ich hasste ihn dafür.
    Um sieben, als wir

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