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Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Leshem
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Aufregung, wurden Revolutionsgegner hingerichtet, in Massen. Mörderische Tage waren das, und kein Mensch begriff die Tiefe der geschlagenen Wunden. Als alle Männer an die Front zogen, blieb mir nur, eine Vase mit Rosen und Dahlien anzustarren, an Arian zu denken und mich selbst zu überzeugen, dass Öffentlichkeit keinen Zweck hat und in der Karriere keine Erfüllung liegt, mich nur Kinder noch glücklich machen könnten, sieh an, dachte ich, ich werde erwachsen, von Illusionen kuriert, während ich auf die Sirenen wartete und mich im Schutzraum vergrub. Arian schrieb immer Briefe aus dem Feldzelt, zwischen den Kämpfen, er schrieb: ‹Möge er mit Gesundheit gesegnet sein, dein Freund, der Schah, wie hat er dieses Volk doch dazu gezwungen, ihn zu exilieren. Allah möge sich erbarmen, was hat er über uns gebracht, der Verfluchte?› Und schau, er soll wirklich gesegnet sein, der Schah, in seiner letzten Ruhe», sagte Zahra jetzt, «denn zu seiner Zeit war es nicht so übel. Und all die Erbitterten, die uns die Illusion einbrachten, es könnte noch viel besser werden, nun, hier haben sie es, sollen sie stumm daran ersticken.»
    An den Rändern eines schattigen Steinpfads erhob sich das schöne Grab irgendeiner Nadin, die in hohem Alter gestorben war, und auf der samtig grauen Marmorplatte über ihrem Leichnam stand mit herausgehobenen vergoldeten Lettern die Inschrift ihrer Familie: «Sie liebte uns alle, und die meisten von uns liebten sie.»
    «Sieh mal», sagte ich zu Zahra, «das ist lustig», denn ich hätte so gern mit ihr zusammen gelacht, doch Zahra blieb ernst und mit sich beschäftigt, lobte nur die Aufrichtigkeit. «Nicht sehr typisch für dieses Volk von Heuchlern, alle Achtung.»
    «Genug, Zahra, wir haben den Weg verloren, diese Nadin ist sicher kein Kriegsopfer und keine Heldin der Revolution. Wo ist Arians Abteilung?» Doch sie zog mich weiter hinter sich her. Beim Museum der Märtyrer, auf einer Holzbank, von der eine rote, von der Sonne aufgerissene Farbschicht abblätterte, drängte sich uns ein hageres Gesicht auf. Er sei zwar in der Tat professioneller Fürbitter, Experte in allen Klagen und Totengebeten, und es ermangele ihm, Gott bewahre, nicht etwa an einem Auskommen, aber für uns sei er dennoch bereit, als Wegführer zu dienen und uns zur richtigen Stelle zu bringen. Er hatte Zahra erkannt – Menschen mittleren Alters kannten sie noch. «Gnädige Frau», warf er sich in die Brust, «was soll ich Ihnen sagen? Die Menschen bei uns sind herzlicher als alle anderen auf der Welt. Hiermit stehe ich zu Ihren Diensten», sagte er und ging auf Abkürzungen über alte Pfade voran. «Das ist keine gute Zeit, an einem solchen Ort allein herumzuwandern», warnte er, «wir hatten hier nicht wenige Fälle von bewaffnetem Raub, in den abgelegenen Teilen haben unglückliche Familien teuren Schmuck verloren, der ein ganzes Leben wert war, in einer winzigen Sekunde der Unvorsichtigkeit. Man hat zwar Soldaten auf Patrouille geschickt, nur sind sie momentan mit der Verkehrsregelung auf den Parkplätzen beschäftigt, denn es ist sehr viel Betrieb, die Menschen sterben weiterhin. Und, gnädige Frau», beharrte er, «es ist überflüssig, dass Sie Rosen gekauft haben, schade um die Rosen, es ist unklug, solche Perlen der Schönheit auf einem Grab zu lassen, sie werden bloß von einem Drogensüchtigen aufgelesen, kaum dass Sie sich umdrehen. Nehmen Sie die wieder mit nach Hause und stellen sie in eine Vase, meine Gnädigste. Wissen Sie», wandte sich der Hagergesichtige an mich, «Sie, mein Junge, haben das Aussehen eines Filmstars, mit dieser Kakaohaut, Sie werden eines Tages den Ruhm Ihrer Dame erben.» Ich bedankte mich, vielleicht etwas erschrocken. Der frustrierte Hagere, der offenbar darauf wartete, dass ich mich erkundigen würde, ob er Erfahrung auf dem Gebiet habe, gab selbst die Antwort: «Ich habe in der Tat Erfahrung auf diesem Gebiet», und setzte erklärend hinzu, dass er sich schuldig bekenne, bisweilen religiöse Musik zu verfassen, während er auf Trauerkundschaft wartete, und er würde sich freuen, uns bei nächster Gelegenheit etwas zum Besten zu geben. Er singe nämlich des Öfteren, das heißt, vor der Revolution habe er gesungen, denn um zu singen, dazu müsse er rauchen und trinken. Wenn er nicht betrunken sei, könne er sich nicht von der Angst befreien, und dann würde nichts bei ihm herauskommen, also sei er einstweilen gezwungen, den Gesang auf Eis zu legen, es sei schließlich nicht

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