Der geheime Brief
Dort gibt es freie christliche Gemeinden und viele Baptisten. Wir gehen nach New York, nach Boston, in die schwedischen Siedlungen in Minnesota. Dort kannst du machen, was du willst, denn du sollst niemandem mehr dienen, und zu Hause kommen sie zurecht. Ich bezahle die Schuld zurück, und zwar durch dich. Deine Familie hat mich gelehrt, Gutes zu tun und zu denken, und jetzt kann ich es glauben. Unser Leben wird Musik, denn wir gehören zueinander, und wenn wir drüben sind, kaufe ich dir ein Klavier. Wir spielen für unsere Kinder, und alle sollen aussehen wie du. Blondgelockt.«
»Und Jakob?«
»Er überlebt es. Er muss überleben. Es sollte so sein, verstehst du das nicht, dass ich hergekommen bin und dich gefunden habe. Ich glaube, deine Mutter wird sich freuen. Sie hat mir einmal vertraut, und das hat alles geändert.«
Ich ging direkt zur Arbeit, und als ich nach Hause kam, durchschaute Lea mich sofort. Sie zündete die Kerzen in den Silberleuchtern an. Bald darauf saß Jakob am Tisch und erzählte von einer neuen Ladung, die nachts geliefert werden konnte. Wir nickten, und ich spürte seine Zärtlichkeit, mit der er mich ansah, spürte die Liebkosung seiner Hand, die gezeichnet war von der Arbeit für uns, für mich. Lea sprach es aus, als er gegangen war.
»Ich weiß, wo du heute Nacht warst. Aber ich möchte es von dir hören.«
»Verzeih mir, dass ich so dumm war, was dich angeht. Ich verstehe das jetzt besser. Ja, ich war bei Anton, und ich weiß, dass ich mit ihm zusammenleben will.«
»Hast du dich ihm hingegeben? Einfach so?«
»Ich verstehe nicht, was du meinst.«
Lea schüttelte den Kopf.
»Ich hatte gedacht, ich hätte dir etwas beigebracht. Die Erlösung erreicht niemals die Stelle zwischen den Beinen der Männer. Anton kann sagen, was er will, denn er könnte auch den Leibhaftigen bekehren. Etwas stimmt nicht mit ihm, und er wird dich unglücklich machen. Mit Jakob bekommst du ein ruhiges Leben und Zeit für dich und deine Gedanken und Wünsche. Mit Anton wirst du herumgeworfen werden wie ein herrenloses Boot …«
»Und wenn ich genau das will?«
»Dann übernehme ich keine Verantwortung für die Folgen.«
»Er will mit mir nach Amerika. Zu den Baptisten.«
»Warum will er weg?«
Diese verdammte Lea. Ich hatte nicht vor, es ihr zu sagen, und schon gar nicht jetzt. Also antwortete ich, dass er hier kein Zuhause und keine Familie hatte, nur einen gewalttätigen Vater und eine Mutter, die Geld brauchte. Lea schüttelte wieder den Kopf. Dann fragte sie besorgt nach dem ersten Mal, und ich schüttelte den Kopf.
In dieser Nacht standen wir wieder im Lagerschuppen der Schuhfabrik. Die Herren, die kamen, waren schon früher dort gewesen und wussten, wie alles vor sich ging. Sie bezahlten bar, und danach wurde einem versprochen, dass er Lea ins Lorensberg-Kabarett einladen dürfte. Der andere wollte wissen, ob ich wohl bereit wäre, mich anzuschließen, und ich dachte, das können wir später noch entscheiden. Wir reichten uns die Hand. Der Handel war abgeschlossen, und Jakob, der sich in einer Ecke versteckt hatte, brachte uns nach Hause. An der Haustür verabschiedete sich Lea und lief nach oben. Ich war allein mit Jakob. Niemals würde es leichter sein als jetzt.
Als ich das Nötige gesagt hatte, wünschte ich dennoch, einfach verschwinden zu können. Vielleicht hatte ich nicht begriffen,
wie viel er für mich empfand, denn seine Verzweiflung war unerträglich. Ich versuchte, sie zu lindern, indem ich über den Wert von Freundschaften sprach und dass sich eine Entscheidung für jemanden nicht gegen einen anderen richte. Nichts drang zu ihm durch. Ich wurde rot, auch im Hinblick darauf, was eine Nacht zuvor geschehen war.
»Es ist Anton«, sagte er nach einer Weile, und ich konnte nur nicken. Der Schmerz verschwand und wurde zu etwas anderem, und als er ging, hatte ich Angst vor dem, was geschehen war. Mir schien, ich hätte etwas ausgelöst, das ich nicht mehr lenken könnte. Und ich sollte recht behalten.
Aber dass es so bald geschehen würde. Nur wenige Tage später teilte Amanda Otto mit, dass die Familie in einer Woche ihr Sommerhaus auf Marstrand beziehen würde, und natürlich müsste ich mitkommen, meine Heimreise müsse also bis zum Herbst aufgeschoben werden. Schließlich hätte ich das in meiner Anzeige geschrieben, wenn ihre Erinnerung sie nicht trog. Bereit, im Sommer mit aufs Land zu kommen.
Inzwischen war es Juni geworden, der Sommer 1916. Wir standen an Deck,
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