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Der geheime Name: Roman (German Edition)

Der geheime Name: Roman (German Edition)

Titel: Der geheime Name: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Winterfeld
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»Ja. Was dagegen?«
    Ihre Mutter zuckte die Schultern. »Nein. Ich finde nur, du könntest mal was über die richtige Welt lesen.«
    Fina rollte mit den Augen. »Die richtige Welt zeigst du mir doch schon. Die Menschen flüchten sich immer in Gegenströmungen. Schon vergessen?«
    Ihre Mutter winkte ab. »Schon gut!«
    Fina spürte, wie ihre Laune noch tiefer in den Keller sank. Eine Viertelstunde später ging sie in ihr Zimmer, zog sich nur halb aus und legte sich ins Bett.
    Tatsächlich kam ihre Mutter nach einer Weile herein.
    Fina hatte ihre Decke bis über die Ohren gezogen und achtete darauf, in tiefen Zügen ein- und auszuatmen. Eine frische Parfümbrise wehte in ihre Nase und brachte sie aus dem Takt. Gerade noch rechtzeitig konnte sie den Stolperer tarnen, indem sie sich murmelnd umdrehte.
    Ihre Mutter hatte mal erwähnt, dass sie im Schlaf oft Unverständliches murmelte. Sie hatte Finas Murmeln nachgemacht, worüber sie beide so sehr lachen mussten, dass Fina sich noch gut daran erinnerte.
    Offensichtlich bestand sie den Schlaftest. Jedenfalls ging ihre Mutter aus dem Zimmer, und kurz darauf fiel die Haustür zu.
    Fina sprang aus dem Bett und lief zum Fenster. Draußen war noch ein schmaler Lichtstreifen am Horizont, der einen schwachen Orangeschimmer über die Landschaft warf.
    Ihre Mutter fuhr im Auto davon. Hoffentlich wirklich nur ins Dorf zu Gustav. Denn falls sie sich im Hotel trafen, wüsste Fina nicht, welches der beiden Hotels im Dorf gemeint war – und selbst wenn: In einem Hotelzimmer waren sie vor ihren Blicken sicher verborgen.
    Als das Auto hinter dem Hügel verschwunden war, zog sie sich hastig Hose und Pulli an, warf sich den Rucksack über die Schulter und rannte nach draußen. Sie schnappte sich ihr Fahrrad und fuhr die Straße in die Richtung, in die auch ihre Mutter verschwunden war.
    Der Mistral hatte zum Abend so plötzlich nachgelassen, wie er eingesetzt hatte. Jetzt kroch die Sommerhitze aus dem trockenen Boden hervor und wärmte die Abendluft.
    Das Dorf war nicht weit entfernt, nur wenige Minuten mit dem Auto. Aber mit dem Fahrrad brauchte Fina fast eine halbe Stunde.
    Schließlich schob sie das Rad durch die engen Gassen zwischen den kleinen Steinhäuschen. Dicht an dicht drängten sich die mittelalterlichen Gebäude aneinander. Die Straßenlaternen brachten ihre ockerfarbenen Fassaden zum Leuchten, und Fina spürte die Wärme, die von den Wänden und den Pflastersteinen zurückstrahlte. Manche der Fensterläden waren geschlossen, vor anderen Häusern hatten sich Leute ein paar Stühle auf die Straße gestellt und saßen bei einem Glas Wein oder einem Kartenspiel zusammen.
    Eine Gruppe von Männern nickte Fina zu, und sie erkannte den Postboten unter ihnen.
    Ob er ahnte, wie recht er gehabt hatte? Er hatte über ihr Gesicht gelacht, als wären seine Worte nur ein Scherz gewesen. Aber Fina war sich nicht sicher. Vielleicht wusste er etwas. Konnte es sein, dass er derjenige war, mit dem ihre Mutter sich verabredet hatte?
    Nein! Sie hatte am Telefon Deutsch gesprochen. Und wenn er es wäre, müsste ihre Mutter jetzt bei ihm sein.
    Fina sah nach unten und schob ihr Rad an den Männern vorbei. Sie stellte es in einer Häuserecke ab und betrat den Marktplatz von der Seite, die am weitesten von Gustav entfernt war.
    Auch vor dem kleinen Restaurant standen die Tische auf der Straße, und Fina erkannte ihre Mutter von weitem. Schnell verbarg sie sich im Schatten einer buschigen, gedrungenen Platane und versuchte, den Mann genauer zu sehen, der ihrer Mutter gegenübersaß. Doch sie waren zu weit entfernt.
    Zum Glück hatte sie damit gerechnet. Sie setzte ihren Rucksack ab, hockte sich daneben, um noch weniger aufzufallen, und holte ihre Kamera heraus. Schon am Nachmittag hatte sie das Teleobjektiv daraufgeschraubt. Jetzt hob sie die Kamera hoch und blickte hindurch.
    Es war zwar viel zu dunkel, um zu fotografieren – aber Fina konnte deutlich sehen, wie ihre Mutter die Hand an die Wange des Mannes legte und so verliebt lächelte, als wäre sie mindestens zwanzig Jahre jünger. Der Mann saß ein wenig schief auf seinem Stuhl, so dass Fina nur seinen Rücken sehen konnte. Doch als er sich etwas drehte, erkannte sie ihn!
    Ihr Herzschlag setzte aus. Sterne fielen vor ihre Augen, und für einen Moment glaubte sie, ohnmächtig zu werden. Gleich darauf verschwanden die Sterne und ließen sie wieder klar sehen.
    Der Mann, mit dem ihre Mutter lachte und flirtete, dessen Gesicht sie streichelte

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