Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der geheime Name: Roman (German Edition)

Der geheime Name: Roman (German Edition)

Titel: Der geheime Name: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Winterfeld
Vom Netzwerk:
Fina in ihre fülligen Arme. »Du bist nach Hause gekommen!«

6. Kapitel
    D er Duft von Milchreis erfüllte die Küche, zog den letzten Rest der Anspannung aus Finas Körper und beruhigte endlich auch das Zittern ihrer Hände, das seit Stunden angehalten hatte.
    »Dass du jetzt wirklich hier bist …« Immer wieder sagte ihre Großmutter diesen Satz und stieß dabei ein verhaltenes Kichern aus, fast wie ein kleines Mädchen beim Anblick der Weihnachtsgeschenke. Ihre Wangen leuchteten in einem rosigen Ton, und bei jedem Lächeln nahmen sie die Form eines Herzens an.
    Fina nippte den Milchreis in kleinen Häppchen von ihrem Löffel und konnte den Blick kaum von ihrer Großmutter abwenden. Es gab sie also tatsächlich. Sie lebte in ihrer Mühle und hatte Finas Tagebücher gelesen. Nicht nur das, sie hatte auf ihre Enkelin gewartet und immer gehofft, dass sie irgendwann hierherkommen würde.
    Nur einen bitteren Teil der Wahrheit gab es, den Fina kurz nach ihrer Ankunft erfahren musste: Ihr Großvater lebte nicht mehr. Wenige Monate nach ihrem Besuch damals war er an Krebs gestorben. Die tödliche Krankheit war anscheinend auch der Grund gewesen, warum Finas Mutter ihre Eltern noch einmal besucht hatte.
    »Aber eines geht mir nicht aus dem Kopf …« Fina ließ ihren Löffel sinken. »Warum ist Mama eigentlich von hier fortgegangen? Gut, wir sind angeblich vor meinem Vater geflohen. Aber warum hat sie deshalb den Kontakt zu euch abgebrochen?«
    Ihre Großmutter seufzte. »Ach, Fina. Das ist eine lange Geschichte. Von uns hat sie sich schon losgesagt, Jahre, bevor es dich gab.« Oma Klara schob ihr leeres Milchreisschälchen von sich. »So ganz habe ich auch nie verstanden, warum. Aber ich nehme an, deine Mutter hatte eine sehr trostlose Kindheit bei uns.« Sie faltete die Hände unter ihrem Kinn, ihr Blick wurde traurig. »Dein Großvater, Klemens, er hatte einen Arbeitsunfall, als deine Mutter noch ein Baby war. Er hat sich im Mahlwerk der Mühle beide Arme gequetscht. Sein rechter Arm musste amputiert werden, und den linken Arm konnte er danach kaum noch bewegen.« Sie blickte aus dem Fenster auf den Bach, der in einem satten Strom aus dem Wald heranfloss, bevor er sich unter dem Mühlrad in die Tiefe stürzte. »Mein Klemens hatte in jungen Jahren den Traum, neben seiner Arbeit als Müller irgendwann auch als Maler Erfolg zu haben. Mit seinem Unfall ist dieser Traum geplatzt, und er hat sehr darunter gelitten.«
    Fina sah sich wieder in der Küche um. Schon vorher waren ihr die Ölbilder und Aquarelle an den Wänden aufgefallen, die allesamt romantische Heidemotive zeigten: eine Heidschnuckenherde inmitten von Heidekraut, auf dem nächsten Bild eine weite sandige Landschaft, die mit purpurfarben blühendem Gestrüpp bewachsen war, rote Fachwerkhäuschen und Impressionen aus dem Dorf und dazwischen immer wieder die Mühle und der Mühlbach, aus allen Perspektiven.
    »Susanne kannte ihren Vater nur als sehr unglücklichen Menschen.« Ihre Oma seufzte erneut. »Es ist ihm nie gelungen, ein neues Lebensziel zu finden, für das er seine Hände nicht brauchte. Die Spielerei war sein einziger Trost und der letzte Rest seiner Lebensfreude. Nach einiger Zeit hat er jede Gelegenheit zum Spielen genutzt, die er finden konnte. Jeden verfügbaren Pfennig hat er für Lottoscheine und Glücksspiele ausgegeben. Er hat jede Zeitschrift gekauft, in der Gewinnspiele ausgeschrieben waren, und hat daran teilgenommen. Wann immer sich eine Fahrgelegenheit bot, ließ er sich zum Spielkasino oder ins Wettbüro mitnehmen. Und in der übrigen Zeit hat er mit den Männern im Dorf Karten gespielt und dabei Haus und Grund verwettet. Nur, dass unsere Nachbarn ihm seine Spielschulden aus Mitleid erlassen haben. Oder vielleicht auch nur deshalb, weil sie mit einer sanierungsbedürftigen Mühle nichts anfangen konnten.« Ihre Großmutter goss sich und Fina neuen Tee in die Tassen und schüttete einen Löffel Zucker hinein. »Ich musste derweil sehr viel arbeiten, um unsere kleine Familie über Wasser zu halten. Da ich keine richtige Ausbildung hatte, habe ich für das halbe Dorf als Putzfrau geschuftet, manchmal einige Tage ohne Entlohnung, wenn einer unserer Nachbarn doch auf seinen Spielgewinn bestanden hat. Du kannst dir sicher denken, dass dein Opa und ich damals häufig Streit miteinander hatten.«
    Fina nickte langsam, ihr Blick fiel auf Rübezahl, der auf einem Schaffell lag und schlief. Eine lustige, schwarz-weiß gefleckte

Weitere Kostenlose Bücher