Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen
Freundinnen hi n über. Unterwegs erspähe ich das kleine Mä d chen, das noch immer mit erschrockenen Augen auf meine Mutter starrt. Das Kind hat etwas an sich, dem ich mich nicht entziehen kann. Ich habe das unb e stimmte Gefühl, es gibt da etwas, was ich wissen müsste.
»Zeit zu tanzen!« Felicity ergreift meine beiden Hände und wirbelt mich wild herum. Mutter klatscht den Takt. Der Ritter schlägt die Laute schneller und schneller, feuert uns an, uns immer rascher zu dr e hen, mit fliegendem Haar, die Hände der anderen fest umklammert.
»Was immer du tust, lass nicht los!«, schreit Felicity, während wir unsere Körper der Fliehkraft hi n geben, bis wir nur noch ein großer farbiger Fleck in der Landschaft sind.
Bis wir in unsere Zimmer zurückkehren, hat der nachtdun k le Himmel schon eine sanftere Schattierung ang e nommen. Die Dämmerung ist nur noch wenige Augenblicke entfernt. Mo r gen werden wir für unser Abenteuer bitter büßen mü s sen.
»Deine Mutter ist reizend«, sagt Ann, als sie unter ihre Decke schlüpft.
»Danke«, flüstere ich, während ich eine Bürste durch mein Haar ziehe. Das Tanzen – und die nachfolgende u n sanfte Landung im Gras –haben es hoffnungslos durchei n andergebracht, genauso wie meine Gedanken.
»Ich erinnere mich überhaupt nicht an meine Mu t ter. Findest du das sehr schlimm?«
»Nein«, sage ich.
Halb im Schlaf murmelt Ann leise: »Ich frage mich, ob sie sich an mich erinnert …«
Ich weiß nicht, was ich antworten soll. Aber es spielt keine Rolle. Ann schnarcht schon. Ich gebe das Bürsten auf und schlüpfe unter meine eigenen D e cken. Da spüre ich neben mir ein Knistern. Ich taste mit der Hand umher und entdecke in den Laken ve r steckt eine Nachricht. Ich muss damit ans Fenster gehen, um sie entziffern zu können.
Miss Doyle,
Sie spielen ein sehr gefährliches Spiel. Wenn Sie jetzt nicht aufhören, bin ich gezwungen einzugreifen. Ich bitte Sie, Schluss zu machen, solange Sie noch können.
Ein weiteres Wort wurde hastig darunter gekri t zelt, dann durchgestrichen.
Bitte.
Die Unterschrift fehlt, aber ich weiß, das ist Ka r tiks Werk. Ich zerreiße die Nachricht in ganz kleine Stücke. Dann öf f ne ich das Fenster und übergebe die Schnipsel dem Wind.
25. Kapitel
D r ei Tage lang geht es so. Wir halten einander an den Händen und treten hinaus in unser privates Par a dies, wo wir die Herrinnen unseres eigenen Lebens sind. Unter der Anleitung der Jägerin wird Felicity eine vorzügliche Bogenschützin, flink und ausda u ernd. Anns Stimme wird von Tag zu Tag kräftiger. Und Pippa ist nicht mehr ganz so die verwöhnte Prinzessin, die sie noch vor einer Woche war. Sie ist liebenswürdiger, w e niger schrill. Oft genug war ich genervt von ihrem pause n losen Geplapper. Aber der Ritter hört ihr so hi n gebungsvoll zu wie niemand sonst.
Hier fürchten wir uns nicht davor, uns näherz u kommen. Unsere Freundschaft schlägt Wurzeln, sie blüht und g e deiht. Wir erzählen uns schlimme Witze, lachen und schreien, gestehen unsere Ängste und Hoffnungen. Wir rülpsen ungeniert. Es gibt niema n den, der uns zurechtweist. Niemanden, der uns sagt, dass das, was wir denken und fühlen, falsch ist. Der springende Punkt ist nicht, tun zu können, was wir wollen. Der springende Punkt ist, dass es uns erlaubt ist, überhaupt etwas zu wollen.
»Passt auf!«, sagt Felicity. Sie schließt die Augen und im nächsten Moment fällt ein warmer Regen aus diesem i m merwährenden So n nenuntergangshimmel. Er durchnässt uns bis auf die Haut und es ist ein her r liches Gefühl.
»Das ist nicht fair!«, schreit Pippa, lacht aber d a bei.
Ich habe noch nie einen so wunderbaren Regen erlebt. Ich möchte ihn trinken, darin baden.
»Ha ! «, ruft Felicity triumphierend. »Ich hab das g e macht! Ich!«
Wir kreischen und rennen, platschen in Pfützen und wieder heraus. Schlammbespritzt bewerfen wir uns gege n seitig mit Matsch. Jedes Mal, wenn wir eine Handvoll na s ser Erde abkriegen, brüllen wir und schwören Rache. Aber ehrlich gesagt, wir genießen das Gefühl, dermaßen ve r dreckt zu sein, und verge s sen alle Skrupel.
»Ich bin völlig durchweicht«, ruft Pippa, nachdem wir ihr tüchtig zugesetzt haben. Sie ist von oben bis unten voll Schlamm.
»Also gut.« Ich schließe die Augen, denke an die heiße Sonne Indiens und binnen Sekunden hört der Regen auf. Wir sind sauber, trocken und ordentlich angezogen, bereit für die
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