Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen
unsere Miss Pippa macht. Nehmen Sie sich ein Beispiel an ihr. Wenn Sie alles beherzigen, was Ihnen Mrs Nightwing und die and e ren –einschließlich meiner Wenigkeit –raten, können Sie genauso ans Ziel gelangen wie Miss Pippa. Zum Altar im Wagen eines reichen Mannes.«
Es scheint nicht der richtige Zeitpunkt für die Frage zu sein, warum Mrs Nightwing und die anderen, einschlie ß lich Brigid, trotz all ihrer Weisheit nicht vorm Altar gela n det sind. Die Mädchen hängen so verzückt an Brigids Li p pen, als würde sie das Eva n gelium verkündigen.
»Wo sind sie jetzt?«, fragt Felicity ungeduldig.
»Nun.« Brigid senkt ihre Stimme. »Ich hab gehört, wie Mrs Nightwing sagte, sie wollten eine Runde durch den Park machen …«
Felicity zögert keine Sekunde. »Wir könnten vom Tre p penhaus, vom Fenster im zweiten Stock, in den Garten schauen ! «
Brigids Protest wird von der wilden Horde, die die Tre p pe h inauf zum Fenster stürmt, hinweggefegt. Wir Älteren überholen die jüngeren Mädchen, boxen uns mit der Kraft unserer Ellbogen den Weg frei. Im Nu haben wir uns die besten Plätze am Fenster ges i chert und die anderen drängen sich hinter uns und recken die Hälse, um auch etwas zu sehen.
Im Park unten schlendern Pippa und Mr Bumble, von Mrs Nightwing als Anstandsdame begleitet, die von Rosen und Hyazinthen gesäumten Wege entlang. Durch das off e ne Fenster können wir deutlich sehen, wie sie jetzt einen Schritt voneinander entfernt verl e gen stehen bleiben. Pippa verbirgt ihr Gesicht in e i nem Strauß Blumen, den er ihr vermutlich mitg e bracht hat. Sie sieht maßlos gelangweilt aus. Mrs Nightwing weist auf die verschiedenen Gewächse zu beiden Seiten des Weges hin.
»Könntet ihr uns auch mal ein wenig Platz machen, bi t te?«, fordert ein resolutes, rundliches Mä d chen.
»Hau ab«, faucht Felicity, absichtlich grob, um die Kle i ne einzuschüchtern.
»Ich werd ’ s Mrs Nightwing sagen!«, piepst das Mä d chen.
»Tu ’ s nur, dann wirst du sehen, was passiert. Jetzt halt den Mund –wir versuchen zu hören, was sie s a gen!«
Das Gedränge hält an, aber wenigstens das Gequengel hat aufgehört. Es ist einfach zu komisch, Pippa und Mr Bumble zusammen zu sehen. Entgegen Brigids glühender Schilderung ist er in Wirklichkeit ein Fettwanst mit einem buschigen Schnurrbart und außerdem viel älter als Pippa. Soweit ich es beurteilen kann, ist überhaupt nichts Beso n deres an ihm.
»Pip ist ein echter Glückspilz«, sagt Cecily. »Sie könnte heiraten, ohne überhaupt eine Debütantinnen-Saison durchzumachen und sich von jedem Mann und seiner Mu t ter unter die Lupe nehmen zu lassen, ob sie zur Ehefrau taugt.«
»Ich glaube nicht, dass Pip dir zustimmen würde«, sagt Felicity. »Ich denke, es ist überhaupt nicht das, was sie will.«
»Nun, es geht ja nicht darum, was wir wollen, oder?«, sagt Elizabeth einfach.
Dazu fällt niemandem etwas ein. Der Wind weht Mrs Nightwings Stimme herüber. Sie sagt etwas von Rosen, die die Blumen der Liebe sind. Und dann ve r schwinden sie hinter einer hohen Hecke.
15. Kapitel
» I c h kann nicht glauben, dass er mir rote Nelken g e schenkt hat. Wisst ihr, was das in der Sprache der Blumen bede u tet? Bewunderung! › Ich bewundere Sie. ‹ Das ist genau das Richtige, um das Herz eines Mädchens zu gewinnen.« Pi p pa zerfetzt die Nelken eine nach der a n deren und streut das blutige Gemetzel über den Hö h lenboden.
»Ich finde Nelken sehr schön«, sagt Ann.
»Ich bin siebzehn! Meine Debütantinnen-Saison hat g e rade erst begonnen. Ich habe die Absicht, sie zu genießen und nicht den erstbesten pickeligen alten Winkeladvokaten zu heiraten, der Geld hat.« Pippa zerpflückt die letzte Ne l ke in ihrer Hand, bis nur ein kahler Stängel zurückbleibt.
Ich habe bis jetzt kein Wort gesagt. Ich kaue noch immer an dem boshaften Brief von heute Vormittag und daran, dass Felicity einen von Pippas neuen Handschuhen trägt und Pippa den anderen, wie Wahrzeichen ihrer Freun d schaft.
»Warum hat es deine Mutter denn so eilig, dich zu ve r heiraten?«, fragt Ann.
»Sie will nicht, dass jemand erfährt …« Pippa hält e r schrocken inne.
»Dass jemand was erfährt?«, frage ich.
»Was sie bekommen, bevor es zu spät ist.« Sie wirft die Blu menstängel zu Boden.
Ich habe keine Ahnung, was sie meint. Pippa ist schön. Und ihre Familie mag dem Kaufmannsstand angehören, aber sie sind wohlhabend und angesehen. Außer dass sie eitel, gehässig und ein
Weitere Kostenlose Bücher