Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr
eigene Kammerzofe am helllichten Tag in G e genwart ihrer beeindruckbaren Schützlinge einen Mann küsst« , sagt Felicity.
»Aber das habe ich gar nicht getan!« , protestiert Fra n ny.
»Dein Wort steht gegen unseres« , sagt Felicity und macht uns damit zu ihren Komplizinnen , ob wir wollen oder nicht.
Franny ballt machtlos die Hände. »Gott sieht Ihre Hinte r list , Miss.«
»Ich denke , wir könnten uns einigen.« Felicity fischt e i ne n S chilling aus ihrer Geldbörse. »Da. Nimm. Geh und kauf dir etwas Süßes. Ich bin sicher , dieser junge Mann wird beglückt sein , dich zu begleiten. Wollen wir uns , sagen wir , um fünf Uhr wieder hier treffen?«
Der Schilling glänzt zwischen Frannys behandschuhten Fingern. Wenn Franny ihn nimmt , kann sie eine süße Leckerei und einen Nachmittag mit ihrem Verehrer g e nießen. Aber dann wird sie auch für immer in Felicitys Hand sein.
Franny schüttelt den Kopf. »Oh nein , Miss. Bitte ve r langen Sie nicht von mir , Mrs Worthington anzulügen. Das kann ich nicht tun , Miss. Wollen Sie , dass ich meine Anstellung und meine unsterbliche Seele für nur einen Schilling aufs Spiel setze?«
Dass Franny diesen Erpressungsversuch ohne mit der Wimper zu zucken über die Lippen bringt , ist helde n haft. Mein Respekt vor ihr steigt gewaltig.
»Ich habe gute Lust , es meiner Mutter trotzdem zu s a gen« , knurrt Felicity. Es ist eine leere Drohung , das wi s sen wir alle. Felicity bekommt die kostbare Freiheit , die sie begehrt. Sie überreicht Franny ein Pfund als Preis für ihr Schweigen. Franny greift schnell nach der Münze und birgt sie fest in ihrer Hand. Felicity lässt sich auf kein Risiko ein. »Wenn du auch nur daran denkst , das meiner Mutter zu erzählen , dann werden wir behaupten , dass du uns verlassen hast , um einen Verehrer zu treffen. Wir Armen , mutterseelenallein ohne u n sere Anstandsdame auf den gefährlichen Straßen Londons und dazu noch um ein Pfund erleichtert –höchst merkwürdig , wie das pa s siert ist.«
Franny , die sich soeben noch in ihrem Triumph g e sonnt hat , läuft rot an und presst ihre Lippen zu einem grimmigen Strich zusammen. »Ja , Miss. Um fünf Uhr.«
Als wir hinter Felicity herlaufen , drehe ich mich noch ei n mal zu Franny um , ohne recht zu wissen , was ich s a gen soll. »Danke , Franny. Das war sehr … äh … a n ständig von dir.« Und damit sind wir allein.
Die Freiheit schmeckt genauso süß wie der in der Regent Street gekaufte Windbeutel. Süße Teigblätter ze r gehen auf meiner Zunge , während die zweirädrigen Droschken und Omnibusse die Straßen rauf und runter kutschieren und dabei schmutziges , mit Schneematsch vermischtes Wasser zwischen ihren Rädern aufwühlen. Fußgänger eilen zielstrebig hin und her. Und wir bew e gen uns zwanglos zwischen ihnen , selbst Teil der name n losen Menge , dem Zufall , dem Schicksal preisgegeben.
Wir gehen zum Piccadilly und bummeln durch die übe r dachten Burlington-Arkaden , vorbei an den Wac h männern , die mit strengem Blick für Ordnung sorgen. Da gibt es Ve r kaufsstände , die die unterschiedlichsten Waren anbieten –Schallplatten , Handschuhe , Strickwaren , Schmuck aus g e schliffenem Glas und Ähnliches mehr –und mich überkommt wieder eine tiefe Seh n sucht nach Indien mit seinen Basaren und lauten , lebha f ten Märkten.
»Hier ist es fast so schön wie im Magischen Reich« , seufzt Ann.
»Was hast du für Neuigkeiten?« , fragt Felicity.
»Wie ihr wisst , arbeitet mein Bruder im Bethlehem-Hospital. Er hat dort eine Patientin namens Nell Ha w kins. Ein äußerst interessanter Fall …«
»Es ist so edel von Tom , sich um die Unglücklichen zu kümmern« , sagt Ann und leckt sich ein paar Blättertei g krümel von den Lippen. »Seine Verlobte muss ihn anb e ten.«
»Seine Verlobte?« , sage ich , ärgerlich über die Unterbr e chung. Zu spät erinnere ich mich an meine Lüge. »Ach so , ja , du meinst … äh … Miss Richardson. Natü r lich. Wie dumm von mir.«
»Du hast gesagt , sie heißt Dalton. Und dass sie sehr schön ist.«
»Ich …« Mir fällt nichts ein , was ich sagen könnte. Ich h a be mich wirklich auf Glatteis begeben. »Es ist aus.«
»Oh?« , fragt Ann mit Hoffnung im Blick.
»Würdest du sie jetzt bitte ihre Geschichte weitere r zählen lassen?« , sagt Felicity ungeduldig.
»Nell Hawkins hält sich nicht für die Jungfrau von O r leans oder die Königin von Saba. Ihr Wahn besteht haup t sächlich darin , dass sie denkt ,
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