Der geheime Zoo 1
mich in die nächste Welt bringen sollte.
Nachdem ich mich von meinem Schrecken erholt hatte, fragte ich: «Was wollen Sie?»
Der Mann legte seine Hände zusammen und sagte: «Nur eine Minute Ihrer Zeit.»
Obwohl er mir äußerst seltsam vorkam, konnte ich ihn doch nicht einfach im kalten Regen auf der Veranda stehen lassen. Also bat ich ihn herein.
Ich kochte uns eine Kanne Tee, und wir setzten uns in mein Arbeitszimmer. Nach einiger Zeit sagte der Mann: «Mein Name ist Mr DeGraff», und streckte seine Hand aus. Seine Haut war kränklich gelb, seine Nägel sahen aus wie Klauen. Zögernd schüttelte ich seine Hand.
Mr DeGraff stand auf und ging zu einem der Bücherregale. Er strich mit seinen scheußlichen Fingern über
die Buchrücken und las beim Weitergehen die Titel.
«Lesen Sie gern, Mr DeGraff?», fragte ich.
«Überhaupt nicht», antwortete er, behielt aber den Blick auf die Bücher gerichtet. «Ich hasse Lesen. Worte langweilen mich. Sie sind nur ärmliches Zierwerk. Ich bin ein Mann der Tat.» Dann wechselte er das Thema. «Ich habe erfahren, dass Sie … oh ungefähr einhundertsiebzehn Tiere besitzen und nicht wissen, was Sie mit ihnen anfangen sollen.»
Ich wollte gerade antworten, doch Mr DeGraff war
schneller. «Aber ich weiß es, Mr Jackson! Ich weiß,
was Sie mit ihnen tun können.»
Ungewollt wurde ich neugierig.
«Erklären Sie sich», sagte ich. «Aber beeilen Sie sich, denn diese Unterhaltung wird langsam albern.»
Mr DeGraff ließ sich nicht hetzen. Er ging weiter an den Regalen entlang und zog seinen Zeigefinger über die Buchrücken. Als er weitersprach, sagte er nur: «Ich rede dann, wenn ich bereit bin zu reden.»
Ich spürte, wie ich vor Wut rot wurde. Ich deutete auf die Tür und rief: «Mr DeGraff, Sie dürfen gehen!»
Ungerührt zuckte er die Schultern, glitt zur Tür und sagte: «Bedauerlich – bedauerlich für Sie, meine ich.»
Ich konnte meine Neugierde nicht bezähmen. Also packte ich den seltsamen Mann und sagte: «Sie haben zwei Minuten. Zwei Minuten! Wenn Sie dann immer noch nicht sagen wollen, was Sie zu sagen haben, werde ich Sie nur zu gern wieder in den Sturm hinausjagen!»
Mr DeGraff lächelte ein schwarzes, beinahe zahnloses
Lächeln. Er kam zurück ins Zimmer und sagte: «Ich weiß einen Weg, wie Sie Ihre Tiere wieder zurück in die Wildnis bringen können, ohne … nun … ohne Sie der Wildnis zu überlassen.»
«Und wie soll das gehen?»
«Sie müssen nur den Raum erweitern. Das bedeutet ‹Wildnis› im eigentlichen Sinne – Raum.»
Ich lachte und sagte: «Das ist alles? Das ist Ihr Lösungsvorschlag für mein Problem?»
«Nein», sagte Mr DeGraff. Er schob seine Finger in die Tasche und zog ein zerknittertes Stück Papier heraus. Dann sah er mir tief in die Augen, als versuchte er, mit
Blicken zu sprechen. «Dies …», sagte er, «ist die Lösung für Ihr Problem.»
Ich nahm ihm den Zettel ab und las ihn. Darauf stand ein Name – Bhanu Lakshman – und darunter der Name
einer indischen Stadt.
«Dieser Mann», sagte Mr DeGraff, «wurde unter ungewöhnlichen Umständen geboren, und er kann deshalb ungewöhnliche Dinge erreichen. Manche behaupten, dass er der Magie mächtig ist. Sie sollten ihn treffen.»
«Was? Sie sind doch verrückt!», erklärte ich.
Doch Mr DeGraff hatte unsere Unterhaltung beendet und war bereits auf dem Weg zur Haustür.
«Das ist doch albern!», rief ich. «Sie kommen hierher mit irgendwelchen Geschichten von Magie und –»
Mr DeGraff wickelte seine gelben Finger um den Türknauf und blieb stehen. Ohne sich umzudrehen, sagte er: «Mr Jackson, unsere Zeit ist beendet.» Dann trat der seltsame Mann nach draußen und verschwand in die dunkle Regennacht.
Ich stand in der leeren Eingangshalle und las den Namen noch einmal: Bhanu Lakshman.
«Warten Sie!», rief ich. «Mr DeGraff!»
Ich lief zur Tür und riss sie auf, doch der Mann war verschwunden. Es war, als hätte die Nacht ihn verschluckt – oder die Schatten.
Mr Darby schwieg.
«Und ist Mr Jackson nach Indien gereist?», fragte Ella.
«Ja», antwortete Mr Darby. «Das ist er.»
«Und hat er Bhanu gefunden?»
«Es dauerte eine Weile, doch am Ende fand er Bhanu.»
«Und was geschah dann?»
Mr Darby richtete wieder die Brille auf seiner Nase und las weiter. «Einige Monate später fand ich Bhanu …»
Einige Monate später fand ich Bhanu Lakshman in Nordindien. Er hatte freundliche, dunkle Augen, sauber geschnittene Haare und
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