Der Geheimnistraeger
wartete auf den Schuss, aber er kam nicht. Stattdessen drückte einer der anderen Männer dem Polizisten seine Waffe in den Rücken und zwang ihn, aufzustehen. Er wurde in Richtung des Zimmers getrieben, in dem angeblich die Messerstecherei stattgefunden hatte.
Doris folgte ihnen mit dem Blick. Dort waren auch die Sanitäter. Sie wagte nicht daran zu denken, was geschehen würde. Sie schaute den Mann, der immer noch vor ihr am Tresen stand, aus den Augenwinkeln an. Er beugte sich zu dem angeschossenen Polizisten herunter und sie konnte ihn einen Augenblick lang nicht sehen.
Plötzlich bemerkte Doris einen Schmerz im Mund. Sie fasste sich mit der Hand an die Lippen. Als sie sie betrachtete, war sie voller Blut. Sie fuhr sich mit der Zungenspitze durch den Mund und bemerkte eine große Wunde auf der Innenseite der Wange. Sie hatte sich selbst in die Wange gebissen, ohne es zu bemerken.
Der Geschmack von Blut weckte sie aus ihrer Erstarrung. Zwei der bewaffneten Männer standen immer noch in der Lobby, aber keiner von ihnen richtete seine Waffe auf sie. Sie ging rasch um den Tresen herum und kniete sich neben den Polizisten. »Wir müssen ihm helfen!«, schrie sie. »Wir müssen …«, rief sie, aber begriff dann, wie unsinnig das war. Die Männer hatten geschossen, um zu töten. Alles war geplant. Wer waren diese Männer? Was würden sie mit ihr machen? Sie erhob sich abrupt und wich zurück. Sie dachte an ihren Sohn.
29. Kapitel
Das Erste Panzerbataillon des Gardehusregiments hatte sich auf der Ebene bei Slagelse südlich der E 20 ausgebreitet. Niedrige Gebäude, die von der nächsten öffentlichen Straße kaum zu sehen waren. Büros, Kantine, Ausbildungsräume, Übungsgelände und Kasernen für die Wehrpflichtigen. Garagen für Panzerwagen, Lastwagen und Schützenpanzer. Der Leopard, ein schlagkräftiger Panzer auf dem Schlachtfeld, wurde seit 1963 in Deutschland hergestellt und von etlichen Armeen in Europa benutzt. In Slagelse standen fünfzig Leopardpanzer in ihren Käfigen.
An diesem Samstagmorgen herrschte nicht sonderlich viel Verkehr auf der Autobahn. Um 8.42 Uhr verließen fünf schwarze Minibusse die E 20 in südlicher Richtung an der Abfahrt 39. Einige Minuten später hielten sie vor dem Schilderhäuschen bei dem umzäunten Gebiet mit den Garagen. Die Busse hielten wie ein Festzug hintereinander an. Drei Männer stiegen aus dem ersten Fahrzeug und gingen auf die Wache zu. In den Händen hielten sie ihre Sporttaschen. Der erste Mann wurde bis zum Wachhäuschen vorgelassen, die anderen beiden warteten vor dem verschlossenen Tor.
»Ja bitte?«, sagte der Wache schiebende, junge Wehrpflichtige. Der Mann bei dem Wachhäuschen beugte sich zu seiner
Tasche hinunter, nahm ein Sturmgewehr heraus und entsicherte es. Schweigend richtete er es auf den Wachhabenden. Dieser rollte auf seinem Bürostuhl reflexhaft einige Zentimeter rückwärts.
»Was zum …«, hob er an. Der Mann in dem Wachhäuschen zeigte keine Regung. Langsam hob der Wachhabende die Hände über den Kopf.
» Open «, sagte der Mann mit ausdrucksloser Stimme.
» The lock …«, antwortete der Wachsoldat rasch. » A key, I have to use the key .«
Der Mann machte mit seiner Waffe eine rasche Bewegung Richtung Tor. Der Wachsoldat drehte sich langsam mit seinem Stuhl zu einem Schrank um und nahm einen Schlüssel von einem Haken. Er bewegte sich wie in Zeitlupe, den Blick unablässig auf den Mann draußen gerichtet. Der Gewehrlauf folgte dem Wachmann aus dem Wachhäuschen bis zum Tor. Er entfernte das Vorhängeschloss und dann die schwere Kette. Das Tor glitt ein kleines Stück auf. Die zwei Männer auf der anderen Seite öffneten es rasch ganz. Dann nahmen sie jeder ebenfalls einen Karabiner aus ihren Taschen und stellten sich, den Blick auf die Straße gerichtet, auf die Einfahrt. Die fünf schwarzen Minibusse fuhren auf das Gelände. Der Wehrpflichtige stand mit der Kette in der Hand da.
»T o the side «, sagte der Mann, der ihn bedroht hatte. » Lie down .«
» Don’t shoot «, flehte der Wachsoldat und legte sich neben der Einfahrt auf die Wiese.
Rasch fuhren die fünf Fahrzeuge auf den Garagenplatz. Sie hielten zwischen zwei Garagen, und vierzig Mann sprangen heraus. Einer von ihnen ging auf eine Tür zu und steckte einen Schlüssel ins Schloss. Drei Minuten später erschien er wieder mit einer Tasche mit Schlüsseln, die er austeilte. Die Männer
öffneten daraufhin ein Garagentor nach dem anderen. Hinter jedem Tor stand ein Panzer.
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