Der Geheimnisvolle Eremit
toten Mann abzusuchen. Nach den Plünderungen und Bränden in Oxford gibt es dort genug Tote zu begraben«, erwiderte Hugh bitter. Er schien fast resigniert angesichts der willkürlichen Morde in diesem wechselhaften Bürgerkrieg.
»Ich frage mich, wie viele Menschen im Schloß von seinem Auftrag wußten. Sie hat ihre Absicht wohl kaum öffentlich ausrufen lassen, aber es muß jemand Wind davon bekommen haben.«
»So scheint es, und dieser Jemand hat aus seinem Wissen das Schlechteste gemacht.« Hugh zuckte die Achseln, wie um die fernen Teufel, denen er nicht beikommen konnte, abzuschütteln. »Gott sei Dank bin ich nicht der Sheriff von Oxfordshire! Wir haben hier zum Glück keine großen Sorgen; höchstens einmal Streitereien zwischen zwei Familien, bei denen es Fausthiebe setzt, ein paar Diebstähle, ab und zu ein Wilderer. Oh, und natürlich der Zauberbann, der über Euren Wald in Eyton gekommen ist.«
Cadfael hatte ihm berichtet, was der Abt möglicherweise nicht für wichtig genug gehalten hatte, daß nämlich Dionisia es vermutlich irgendwie geschafft hatte, ihren Einsiedler in den Streit hineinzuziehen, und daß ein braver Mann wahrscheinlich ihre Rolle als bekümmerte Großmutter, der man grausam die Gesellschaft ihres einzigen Enkelkindes verweigerte, für bare Münze genommen hatte. »Und er fürchtet, daß es noch schlimmer kommt? Ich frage mich, was wir als Nächstes aus Eyton hören.«
Wie es der Zufall wollte, kamen die nächsten Neuigkeiten aus Eyton gerade um die Ecke der Buchsbaumhecke auf sie zu. Sie wurden überbracht von einem Novizen, den Prior Robert in großer Eile vom Torhaus geschickt hatte. Der junge Mönch traf mit vom Laufen wallenden Gewändern ein und holte gerade genug Atem, um seine Botschaft herauszubringen, ohne erst gefragt werden zu müssen.
»Bruder Cadfael, Ihr werdet dringend gebraucht. Der Junge des Einsiedlers ist zurückgekommen, um auszurichten, daß man Euch in Eilmunds Hütte verlangt, und der Vater Abt sagt, Ihr sollt ein Pferd nehmen und sofort aufbrechen und bei Eurer Rückkehr berichten, wie es dem Förster geht. Es hat einen neuen Erdrutsch gegeben, und ein Baum ist auf ihn gestürzt.
Sein Bein ist gebrochen.«
Sie boten Hyacinth nach seinen Aufregungen einen Platz zum Ausruhen und eine kräftige Mahlzeit an, doch er wollte nicht bleiben. Solange er Schritt halten konnte, hielt er sich an Cadfaels Zaumzeug fest und rannte neben dem Pferd her, und selbst als seine Kraft nachließ und Cadfael mit höchster Geschwindigkeit vorausritt, trottete der Junge noch verbissen und unbeirrt hinter ihm drein, denn er war anscheinend fest entschlossen, so schnell wie möglich zur Hütte im Wald und nicht zur Klause seines Herrn zurückzukehren. Cadfael wußte, daß sich der Junge mit Eilmund angefreundet hatte, und wahrscheinlich sah er einer Tracht Prügel oder zumindest heftigen Vorwürfen entgegen, wenn er endlich zu seinem Herrn zurückkehrte. Andererseits konnte Cadfael sich, wenn er es bedachte, kaum vorstellen, daß sich dieses wilde, selbstbewußte Geschöpf zahm einem Vorwurf, ganz zu schweigen von einer körperlichen Züchtigung, ergab.
Es war etwa die Stunde der Vesper, als Cadfael in der Einfriedung von Eilmunds Garten vom Pferd stieg. Das Mädchen riß die Tür auf und kam herausgelaufen, um ihn zu begrüßen.
»Bruder, ich hätte nicht geglaubt, daß Ihr so bald schon kommt. Cuthreds Junge muß gelaufen sein wie der Wind, und einen so weiten Weg! Und das, nachdem er meinen Vater aus dem Bach gezogen hatte und völlig durchnäßt war! Wie haben allen Grund, ihm und seinem Herrn dankbar zu sein, denn wäre er nicht gekommen, mein Vater hätte noch Stunden dort liegen können.«
»Wie geht es ihm?« fragte Cadfael, während er seinen Ranzen losschnallte und zum Haus ging.
»Sein Bein ist unterhalb des Knies gebrochen. Ich habe ihm ein Lager bereitet und das Bein von beiden Seiten gestützt, so gut ich konnte, doch es braucht Euer Geschick, um es wieder einzurichten. Und er lag lange halb im Bach, bevor der junge Mann ihn fand; ich fürchte, er hat sich schwer erkältet.«
Eilmund lag unter dicken Decken und begann sich langsam mit seiner hilflosen Lage abzufinden. Er ergab sich stoisch in Cadfaels Behandlung, knirschte mit den Zähnen, gab aber sonst kein Geräusch von sich, als sein Bein eingerichtet und der gebrochene Knochen geschient wurde.
»Es hätte schlimmer ausgehen können«, sagte Cadfael erleichtert. »Es ist ein glatter, sauberer Bruch, und das
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