Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Geheimnisvolle Eremit

Der Geheimnisvolle Eremit

Titel: Der Geheimnisvolle Eremit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
geben.
    Doch die Tür der Hütte stand offen und aus dem Inneren drang ein gleichmäßiges, ruhiges Licht. Drogo band sein Pferd fest, ging durch den Garten zur Tür und trat schließlich, da er immer noch kein Geräusch vernahm, ein. Der Raum war klein und düster und enthielt wenig außer einer Liege an der Wand, einem kleinen Tisch und einer Bank. Das Licht brannte in einem zweiten Raum, und durch den offenen, türlosen Durchgang sah er, daß es eine Kapelle war. Die Lampe brannte auf einem Steinaltar vor einem kleinen Silberkreuz, das auf einem geschnitzten Reliquienschrein stand, und auf dem Altar vor dem Kreuz lag ein schmales, kunstvoll in Gold gefaßtes Brevier. Zwei silberne Kerzenhalter, gewiß Geschenke von der Gönnerin des Klausners, standen links und rechts neben dem Kreuz.
    Vor diesem Altar kniete reglos ein Mann, ein groß gewachsener Mann in einer groben schwarzen Kutte, deren Kapuze über den Kopf gezogen war. Vor dem kleinen, steten Licht war es eine beeindruckende, dunkle Gestalt. Der Mann hielt den geraden, langen Rücken aufrecht wie eine Lanze, der Kopf war nicht demütig gebeugt, sondern erhoben, das Sinnbild eines Heiligen. Selbst Drogo verschlug es für einen Augenblick die Sprache. Doch seine Wünsche und Bedürfnisse waren so bedeutend, daß sich auch die Gebete eines Einsiedlers unterordnen mußten. Das abendliche Zwielicht ging rasch in nächtliche Dunkelheit über, und er hatte keine Zeit zu verschwenden.
    »Seid Ihr Cuthred?« fragte er gebieterisch. »Man sagte mir in der Abtei, daß Ihr hier zu finden seid.«
    Die würdevolle Gestalt regte sich nicht; höchstens, daß der Einsiedler die unsichtbaren Hände entflocht. Doch er sagte mit gemessener, unbeeindruckter Stimme: »Ja, ich bin Cuthred.
    Was wünscht Ihr von mir? Kommt nur herein und sprecht.«
    »Ihr habt einen Jungen, der Eure Botengänge erledigt. Wo ist er? Ich will ihn sehen. Es ist möglich, daß Ihr getäuscht wurdet und ohne Euer Wissen einen Übeltäter aufgenommen habt.«
    Darauf drehte sich die Gestalt in der Kutte um, der Kopf unter der Kapuze hob sich dem Fremden entgegen, und das schräge Licht der Altarlampe zeigte ein längliches, bärtiges Gesicht mit tiefen Augen, eine lange, gerade und edle Nase und eine Mähne von dunklem Haar unter der Kapuze.
    Drogo Bosiet und der Einsiedler des Waldes von Eyton wechselten einen langen, tiefen Blick.
    Bruder Cadfael saß an Eilmunds Lager und aß Brot mit Käse und Äpfeln, da er wie Richard das Abendbrot ausgelassen hatte. Er war recht zufrieden mit seinem sehr unzufriedenem Patienten. Annet kam herein, nachdem sie die Hühner gefüttert und in den Stall gesperrt und die einzige Kuh gemolken hatte.
    Ihr mürrischer Vater schalt sie, weil sie ungewöhnlich lange ausgeblieben sei. Das Fieber war gewichen, seine Haut hatte eine gesunde Farbe, und er war nicht leidend, sondern äußerst erbittert über seine Hilflosigkeit. Er brannte darauf, aufzustehen und seinen Aufgaben nachzugehen, denn er traute den willigen, aber unerfahrenen Helfern des Abtes nicht zu, daß sie seinen Wald ordentlich behüteten. Sein ungezügeltes Temperament verriet, wie schnell er sich erholte. Das verletzte Bein war gerade und schmerzte nicht. Cadfael war sehr zufrieden.
    Annet kam bescheiden heran und lachte, keineswegs verängstigt, über den Groll ihres Vaters. »Ich habe dich in bester Gesellschaft zurückgelassen, und ich wußte, daß es nicht schaden konnte, wenn wir uns eine Stunde lang nicht in die Quere kommen, da du ein so alter grimmiger Bär geworden bist. Warum sollte ich mich an einem so schönen Abend auch beeilen? Bruder Cadfael hat dich gut gepflegt, also neide mir nicht ein wenig frische Luft.«
    Doch so wie sie aussah, hatte sie etwas weit Gehaltvolleres genossen als nur ein wenig frische Luft. Sie hatte etwas Strahlendes und Prickelndes an sich, als hätte sie einen starken Wein getrunken. Ihr braunes Haar, das sonst so ordentlich gebunden war, schien Cadfael etwas zerzaust, als hätte sie sich einen Weg durch dichtes Gebüsch gebahnt, dessen Äste die Zöpfe gelockert hatten, und ihre Wangen waren gerötet, und die Augen glänzten.
    An ihren Schuhen klebten einige herbstlich braune Blätter.
    Zwar lag der Stall am Rande der Lichtung in den Bäumen, doch dort gab es keine ausgewachsenen Eichen.
    »Nun, da Ihr jetzt zurückgekommen seid und er eine neue Zuhörerin für seine Klagen hat«, sagte Cadfael, »will ich mich lieber auf den Heimweg machen, bevor es völlig dunkel

Weitere Kostenlose Bücher