Der Geheimnisvolle Eremit
aus Hughs Garnison und zwei Bewaffnete. Alle schwiegen und alle starrten den großen Flecken verkrusteten Blutes an, der den Rücken des kostbaren Reitmantels besudelte. Das Gras war vom Tau schwer und gebeugt, als hätte es geregnet, und die Feuchtigkeit hatte sich in großen Perlen in der Wollkleidung des Mannes gesammelt und besprenkelte die Spinnweben in den Büschen wie ein Sternenhimmel.
»Da der Mörder den Dolch aus der Wunde gezogen hat«, sagte Hugh, »hat er ihn höchstwahrscheinlich mitgenommen.
Dennoch wollen wir danach suchen, falls er ihn fortgeworfen hat. Und Ihr sagt, die Riemen der Sattelrolle waren durchgeschnitten? Nach dem Mord – dazu brauchte er das Messer. Im Dunkeln ist es leichter und schneller, die Riemen loszuschneiden, als die Schnallen zu lösen, und wer immer der Mörder war, er wollte nicht verweilen. Es ist nur eigenartig, daß ein berittener Mann einem solchen Angriff zum Opfer fiel. Er brauchte nur beim leisesten Geräusch dem Pferd die Sporen zu geben und wäre sofort in Sicherheit gewesen.«
»Ich glaube«, meinte Cadfael, während er noch einmal den liegenden Körper musterte, »daß er zu Fuß ging und das Pferd führte. Er war fremd hier, der Pfad ist schmal und die Bäume rücken nahe heran, und es wurde dunkel oder war schon dunkel. Seht die Blätter, die an seinen Stiefelsohlen kleben. Er fand nicht einmal mehr die Zeit, sich umzudrehen. Ein einziger Stoß reichte aus. Ich weiß nicht, wo er war, aber er war auf dem Rückweg zu seinen Gemächern in unserem Gästehaus, als er niedergestreckt wurde. Ohne Kampf und ohne große Geräusche. Das Pferd war nicht einmal besonders beunruhigt, es war nur wenige Schritte entfernt.«
»Und das spricht sehr für einen erfahrenen Räuber und Dieb«, sagte Hugh. »Aber glaubt Ihr daran? In meinem Amtsbezirk und so nahe an der Stadt?«
»Nein. Aber ein Dieb, vielleicht sogar ein Räuber, der unerkannt in der Stadt lebt, hätte das Risiko eingehen können, wenn er wußte, daß Eilmund krank zu Hause liegt. Aber das sind nur Vermutungen«, erwiderte Cadfael kopfschüttelnd. »Hin und wieder könnte sogar ein Wilderer versucht sein, einen Mord zu begehen, wenn er unvermutet das richtige Opfer allein und des Nachts vor sich hat. Aber Vermutungen helfen uns nicht weiter.«
Die Gruppe, die Abt Radulfus geschickt hatte, um Drogo zur Abtei zurückzubringen, kam mit der Bahre über den Pfad heran.
Cadfael kniete sich ins Gras und durchnäßte seine Kutte an den Knien mit dem reichhaltigen Tau. Vorsichtig drehte er den steifen Köper mit dem Gesicht nach oben. Die schwere Muskulatur der Wangen war erschlafft, die Augen, die in dem massigen Antlitz unpassend klein wirkten, waren halb geöffnet.
Im Tod schien er älter und weniger arrogant, ein Sterblicher unter Sterblichen, beinahe jämmerlich. Die Hand, die unter seinem Körper verborgen gewesen war, trug einen schweren Silberring.
»Etwas, das der Dieb übersehen hat«, meinte Hugh, während er fast bedauernd den mächtigen Mann betrachtete, der jede Macht verloren hatte.
»Abermals ein Zeichen für seine Eile. Denn sonst hätte er die ganze Kleidung durchsucht. Und ein Beweis dafür, daß die Leiche nicht bewegt wurde. Er liegt noch, wie er stürzte, das Gesicht gen Shrewsbury gewandt. Es ist wie ich sagte, er war auf dem Heimweg.«
»Und Ihr sagtet, er erwartete seinen Sohn? Kommt«, sagte Hugh, »wir können ihn jetzt Euren Helfern überlassen. Meine Bewaffneten werden den Wald in der Umgebung durchkämmen, falls es doch noch Zeichen oder Spuren gibt, auch wenn ich es bezweifle. Wir beide wollen zur Abtei zurückreiten und sehen, was der Abt im Kapitel zutage gefördert hat. Denn es muß dort irgend jemand geben, der den Mann auf die Idee brachte, so spät am Abend noch einmal auszureiten.«
Die Sonne stand verschleiert und bleich über dem Horizont, als sie aufsaßen und über den schmalen Weg zurückritten. In den Spinnweben in den Büschen fingen sich die ersten Strahlen, die den Dunst durchdrangen, und ließen die Tautropfen wie Diamanten blitzen. Als sie in die offenen, ebenen Felder hinauskamen, wateten die Pferde durch ein flaches, lilienfarbenes Dunstmeer.
»Was wißt Ihr über diesen Bosiet?« fragte Hugh. »Gibt es noch mehr als das, was er mir erzählt hat und was ich ohne sein Zutun herausfand?«
»Nur wenig, befürchte ich. Er ist in Northamptonshire Herr über mehrere Ländereien, und vor kurzem hat einer seiner Leibeigenen, wahrscheinlich aus nichtigem Anlaß, seinen
Weitere Kostenlose Bücher